Die Pestspur
bemerkte der sichtbar erleichterte Propst und zog sich sofort in seine Wohnung zurück, um ein Gebet der Reue zu sprechen. Er war so schnell verschwunden, dass der Kastellan seine Bemerkung über die ungewohnte Ausdrucksweise des Kirchenmannes nicht mehr hatte loswerden können. Auch sie hatten es jetzt eilig, mit dem Beutesack zum Schloss zurückzukehren.
Im Schloss angekommen, mussten sie mit Entsetzen feststellen, dass es der Mutter wieder wesentlich schlechter ging.
»Es war einfach zu viel für sie. Wir hätten sie noch nicht aufstehen lassen dürfen. Brühst du Mutter bitte einen Kräutersud, Eginhard?«
»Ich befürchte, das wird nicht genügen«, raunzte der Studiosus und begann, sich um sie zu kümmern.
Kapitel 41
Der Schuhmacher Hemmo Grob gab keine Ruhe und nützte jede sich bietende Gelegenheit, um seine Mitmenschen aufzustacheln – wogegen, war ihm so ziemlich egal. Der bösartige Schwätzer mochte nur seine seit Jahren angestaute Unzufriedenheit ablassen. Und hierzu war ihm jedes Mittel recht. Am liebsten würde er die Juden ans Messer liefern – mit ihnen hatte er immer noch eine Rechnung offen. Da sich die Bombergs aber nach wie vor nicht das Allergeringste zuschulden kommen ließen, hatte es nicht einmal während der vermeintlichen Pest geklappt, diese verhasste Sippschaft erfolgreich anzuschwärzen und die Staufner zur Selbstjustiz zu bewegen. Wieder einmal hatte er verärgert feststellen müssen, dass die jüdische Familie allseits sehr geschätzt wurde und außer ein paar Neidern bezüglich Judiths Hühnerzucht so gut wie keine Feinde zu haben schien. Da Judith Bomberg seit Kurzem auch noch eine gute Freundin der Kastellanin geworden war, ließ er wohl besser die Finger davon – jedenfalls vorläufig. So suchte er sich vorsichtig ein anderes Opfer aus. Hinterfotzig griff er das Stammtischthema, dass der Dieb Fabio am Tod des Immenstädter Wachmannes schuld sein könnte, auf und versuchte die Frauen des Dorfes für sich zu gewinnen. Aber daraus wurde nichts. Da die Frauen aus dem, was sie auf dem Markt angerichtet hatten, gelernt hatten, machten sie jetzt einen großen Bogen um alles, was Probleme bereiten könnte.
»Saudumme Weiber. Mit euch kann man nichts anfangen«, maulte er, nachdem er von einigen der Frauen brüsk abgewiesen worden war. »Wie gerne hätte ich mir das Geschnatter der geschwätzigen Weiber zunutze gemacht, um meine neue Botschaft zu verbreiten«, schimpfte er weiter vor sich hin, während er wieder zum Wirtshaus ging, um dort weiterzubohren. Wie immer würde er auch heute den wöchentlichen Stammtisch dafür missbrauchen, die Männer gegen Fabio aufzubringen. Er musste seinen Stammtischbrüdern nur immer wieder das Szenario ausmalen, was geschehen würde, wenn der Graf das Marktverbot so lange aufrechterhalten würde, bis der Mörder des Wachmannes gefunden war.
»Wenn dein Weib im Frühjahr nicht auf den Markt kann, um eure Weidenkörbe zu verkaufen, kannst du deine Bälger nicht mehr ernähren«, sagte er zum Sohn der Weidenflechterin, der sich aus der Not heraus vor nicht allzu langer Zeit aufs Korbmachen spezialisiert hatte.
»Ja, und ich bleibe auf meinen Krügen sitzen«, schimpfte daraufhin der ansonsten als besonnen geltende Töpfer Cornelius Brugger, der es besonders schwer hatte, sich und seine vierzehnjährige Tochter mit dem Verkauf seiner selbst getöpferten Waren durchzubringen. »Seit meine Frau an der Pest gestorben ist, weiß ich nicht mehr ein noch aus. Ich selbst bin ja nur ein kleiner Handwerker. Wenn sich nicht jetzt schon abzeichnen würde, dass meine Maria das künstlerische Talent ihrer Mutter geerbt hat, wäre ich schon längst verzweifelt. Na ja, vielleicht kommen wieder bessere Zeiten«, grantelte der brave Mann, dem man eigentlich kein Schandmaul nachsagen konnte und der einfach nur verzweifelt war.
So meldeten sich bei jeder neuen Stammtischrunde immer mehr Männer zu Wort, um ihrer Zukunftsangst mit ungehemmter Maulerei Ausdruck zu verleihen. Falls der Mistgabelmörder nicht gefunden würde, befürchteten sie Repressalien von Seiten des Grafen und des Oberamtes.
Was dem Schuhmacher bei den vernünftigen Frauen misslungen war, war bei den Männern fast ein Selbstläufer geworden, und er musste schon lange keinen eigenen Beitrag mehr zu den immer hitziger werdenden Diskussionen leisten – er brauchte das Thema nur immer wieder aufs Neue anzustoßen.
»Wir müssen den Täter selbst finden, bevor es die Obrigkeit tut«, hörte man aus
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