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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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der Runde, worauf die Antwort kam, dass dies nicht nötig sei, da Fabio an dem bewussten Markttag mit einer Mistgabel gesehen worden sei und nur er der Mörder sein konnte.
    »Wer sonst?«
    »Was hat ein Taugenichts mit einer Mistgabel zu tun, wenn er nicht arbeitet?«, fragten sich einige Männer.
    »Na, was wohl?«
    »Aber warum sollte er den Wachsoldaten umbringen?«
    »Vielleicht, weil er den allgemeinen Tumult ausgenutzt hat, um an dessen Geldbeutel zu kommen oder ihm die Silberknöpfe abzureißen?«
    »Echte Silberknöpfe haben nur die Offiziere an ihren Uniformen«, funkte ein alter Mann, der in jungen Jahren der Freiherrlichen Garde angehört hatte, aufgrund seiner Unzuverlässigkeit aber frühzeitig entlassen worden war, dazwischen.
    Mit zunehmendem Alkoholgenuss waren sich die Männer immer einiger, dass es nur Fabio gewesen sein konnte, der den Wachmann getötet hatte.
    »Er muss es einfach gewesen sein!«
    Sie verabredeten sich für den nächsten Morgen, um gemeinsam nach dem mutmaßlichen Mörder zu suchen, den sie nach seiner Ergreifung der Gerichtsbarkeit übergeben wollten. Nur der Schuhmacher hatte mit Fabio etwas anderes vor und wollte ihn selbst richten – aber dies konnte keiner der streitbaren Staufner, die im Grunde genommen nichts Böses im Sinn hatten, ahnen.

    *

    Anderntags im Morgengrauen trafen sich die Männer wie verabredet bei der großen Eiche am Marktplatz. Da allerdings einige ihre Räusche ausschliefen, waren nicht alle gekommen. Und einige, die vergangene Nacht noch eine große Lippe riskiert hatten, jetzt aber klaren Kopfes waren, betrachteten die Sache mittlerweile sachlicher und waren zu Hause geblieben, um sich nicht an einem möglichen Unrecht beteiligen zu müssen. Unter ihnen befand sich auch der Töpfer Cornelius Brugger. Dennoch waren es immer noch über zwölf Männer, die sich auf die Suche nach dem vermeintlichen Soldatenmörder machten.
    »Dieser Fabio arbeitete doch als Aushilfstotengräber und steht unter dem Schutz des Propstes – suchen wir ihn dort!«, schlug einer der Männer vor.
    »Ja, seid ihr denn alle vom Teufel geritten? Hättet ihr das nicht früher sagen können?«, schimpfte jetzt der Schuhmacher, der sich aus taktischen Gründen bisher vornehm zurückgehalten hatte. »Also los: Worauf wartet ihr noch?«
    Als man die aufgebrachte Männerschar durch das Dorf in Richtung Propstei trampeln sah, wurde eine Haustür nach der anderen verriegelt. Schlagartig war die Straße so leergefegt, wie sie dies das letzte Mal während der vermeintlichen Pest gewesen war.
    Der Propst sah den wüsten Haufen von weitem kommen und erschrak. Zwei Handvoll Männer steuerten auf das Propsteigebäude zu. Er trat – ein großes Holzkreuz fest umklammert – entschlossen vor die Tür. Um der aufgebrachten Meute sofort den Wind aus den Segeln zu nehmen, zeichnete er mit dem Kreuz die Wundmale Jesu nach. Das half für den Anfang, denn trotz ihrer Wut konnten die gottesfürchtigen Männer nicht anders, als sich aus einem inneren Drang heraus selbst zu bekreuzigen. Dennoch baute sich einer drohend vor ihm auf. »Sagt an, ob Ihr Fabio, den Dieb, bei Euch versteckt!«
    »Ich weiß nicht, wo sich Fabio derzeit aufhält. Es gibt jetzt keine Arbeit für ihn, und deshalb wohnt er nicht mehr in der Propstei. Warum sucht Ihr ihn überhaupt und was wollt Ihr von ihm? Wählt einen unter Euch aus, der mir in aller gebotenen Sachlichkeit berichtet, wo Euch der Schuh drückt.«
    Die Männer traten ein Stück zurück, rotteten sich ganz eng zusammen und bestimmten letztendlich Josen Bueb zu ihrem Sprecher.
    »Auch das noch«, ärgerte sich der Propst, der den aggressiven Sohn des Sonnenwirtes nicht mochte und mit dem er sich fortwährend hätte zanken können.
    Als der junge Mann wütend anfing, von dem Mistgabelmord und der Tätertheorie der Männer zu berichten, unterbrach ihn der Kirchenmann sofort: »So geht das nicht! Erstens erwarte ich einen gemäßigteren Ton. Ist das klar?«
    Niemand sagte etwas.
    »Ob das klar ist?«
    Jetzt nickten die meisten Männer stumm.
    »Zweitens kenne ich die damaligen Vorfälle auf dem Markt von Otto Dobler, der ein absolut glaubwürdiger Zeuge ist … und drittens können wir grundsätzlich nicht von einem Mord sprechen. Es ist nichts bewiesen, und ein kaltblütiger Mord dürfte ohnehin nicht zur Debatte stehen – allenfalls war es Totschlag, wahrscheinlich nur ein schrecklicher Unfall inmitten des Tumultes. Es wurden nicht einmal Ermittlungen eingeleitet!

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