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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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ungewohnte Seelenbalsam entfaltete seine volle Wirkung. »He, Wirt! Bringt eine Stammtischrunde! … Ach was: Schenkt auch den anderen nach!«, schmetterte der Medicus schon nach dem dritten Bier.

Kapitel 40

    Schnaufend hämmerte Propst Glatt an das Schlosstor. Da der Wachhabende glaubte, dass zu dieser späten Stunde niemand mehr um Einlass bitten würde, hatte er sich schon vor einer Stunde in den Stall geschlichen, um sich dort etwas aufzuwärmen. Der dampfende Geruch von Tier, Mist und Heu hatte ihn derart inspiriert, dass es ihn zu einem kleinen Nickerchen verleitet hatte. So hörte er das Klopfen und Rufen des Propstes nicht sofort und benötigte eine gewisse Zeit, bis er wieder auf seinem Posten war.
    »Mensch, Rudolph! Jetzt mach schon auf! Es ist herrgottig kalt hier draußen!«, flehte der Besucher.
    »Gemach, gemach. Ich komme ja schon! Ich … ich war auf Inspektionsrundgang.«
    »Spar dir deine Lügen. Der Herrgott hört und sieht alles: Klopf dir das Heu ab.«
    Als der Wachhabende den Kirchenmann erkannte, war ihm dies äußerst unangenehm, und er wollte sich entschuldigen.
    »Ist ja schon gut. Ich verrate dich nicht. Vorausgesetzt, ich sehe dich bald bei der Beichte … und in der Kirche.«
    »Scheiße!«, fluchte Rudolph und deutete mit der ausgestreckten Hand verlegen zur Vogtei: »Ihr kennt ja den Weg!«
    Der nur mit seiner Soutane gewandete und deswegen vor Kälte zitternde Mann klopfte so lange an die Tür des Vogteigebäudes, bis der Kastellan öffnete.
    »Johannes! Was willst du denn um diese unchristliche Zeit?«
    »Es gibt keine unchristliche Zeit«, schimpfte der Priester, während er Ulrich zur Seite schob und eintrat.
    »Komm nur herein«, lästerte der etwas schlaftrunkene Kastellan, während er mit einem raschen Seitenblick festzustellen versuchte, ob im Schlosshof und beim Tor alles in Ordnung war. Dabei winkte Rudolph ihm pflichtbewusst tuend zu.
    »Weck Eginhard auf!«, presste der Priester hervor. »Er soll sofort kommen. Die Gelegenheit ist günstig und …«
    »Jetzt verschnauf erst einmal Johannes und komm mit hoch.«
    Durch den Krach waren fast alle Familienmitglieder aufgewacht und standen wie ein Empfangskomitee im Treppenhaus. Sogar die bettlägrige Mutter hatte sich hochgequält, obwohl Ulrich dies hatte verhindern wollen. Aber sie war sowieso aus dem flachen Schlaf gerissen worden. Im hitzebedingten Wahn hatte sie sich eingebildet, dass es die Opsers mit ihrem Sohn Otward seien, die zu dieser späten Stunde Einlass begehrten. Als der Propst sah, dass er – bis auf den kleinen Diederich – durch die ganze Familie Dreyling von Wagrain empfangen wurde, bemühte er Gott zum Gruß und flüsterte Ulrich gleich etwas ins Ohr. Daraufhin bat der Kastellan Lodewig, sich in seine Kammer zurückzuziehen.
    »Was habt ihr denn für Geheimnisse?«, fragte die blasse Frau mit belegter Stimme, während sie hustend die Gelegenheit nützte, ein paar Holzscheite in den Kamin zu legen.
    »Ich möchte nicht, dass der brave Knabe mitbekommt, dass sein älterer Bruder ein Einbrecher ist«, beantwortete der Propst die Frage, während er auf die Seite sprang, damit ihm die Holzscheite, die Konstanze erschrocken fallen ließ, nicht auf die Füße knallten.
    »Wie bitte?«, fragte sie entsetzt, während sie versuchte, ihre kraftlosen Fäuste in die Hüften zu stemmen.
    »Jetzt hör erst einmal zu«, beruhigte sie Ulrich, und bat den Propst, sein nächtliches Kommen zu erklären und etwas mehr Feingefühl seiner kranken Frau gegenüber zu zeigen. »Und wenn du alles gehört hast, legst du dich sofort wieder auf dein Lager. Du bist sehr krank und hast immer noch die Hitze.« An Johannes gewandt, sagte er: »Bitte, werter Freund. Jetzt erzähle.«
    Der Propst rieb sich die klammen Hände. »Ich wollte mich gerade dem Schlaf des Gerechten zuwenden. Da habe ich Lärm gehört und den Medicus gesehen, wie er wieder Richtung Wirtshaus gegangen ist. Da habe ich gedacht, es gäbe wohl keine bessere Gelegenheit für Eginhard, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.«
    »Welches Vorhaben?«, unterbrach ihn die fröstelnde Konstanze, die immer noch nicht wusste, worum es überhaupt ging.
    Ohne abzuwarten, was der Propst noch alles sagen wollte, hatte Eginhard längst verstanden und verschwand in seiner Kammer, um sich anzuziehen.
    »Erzähl weiter«, forderte Ulrich seinen Freund auf.
    »Hm, ja. Während Eginhard in den Behandlungsraum des Arztes eindringt und alles durchsucht, passe ich draußen auf, um ihn

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