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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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heißen Sud gemischt. Das hat ihr geholfen, in einen erholsamen Schlaf zu fallen. Momentan dürfte sie keine allzu großen Schmerzen verspüren. Da Ihr zu kräftig seid, wirkt die Melisse bei Euch nicht so wie bei Eurer Frau. Macht Euch keine Sorgen. Ich glaube, dass wir die meisten Finger und Zehen gerettet haben und ihr beide bald wieder gesund sein werdet. Aber jetzt berichtet, bitte, was geschehen ist.«
    Unter Tränen erzählte der Blaufärber, dass ihr ältester Sohn Otward zu seiner sterbenskranken Tante nach Dietmannsried wollte …
    »Das wissen wir«, unterbrach ihn der Kastellan, der dafür von Eginhard einen bösen Blick erntete. »Entschuldigung! Fahrt bitte mit Euren Ausführungen fort, Herr Opser.«
    Trotz der schier unerträglichen Schmerzen tat der Blaufärber, wie ihm geheißen und berichtete weiter: »Aber Ihr wisst nicht, dass mein Sohn weder am Vortag des Heiligen Abends noch am Morgen des Festtages selbst zurückgekommen war. Da wir jedoch sicher waren, dass er niemals das Christfest im Kreise seiner Familie versäumt hätte, haben wir vermutet, dass irgendetwas Schreckliches geschehen sein musste. – Ahhh!«
    Dem Blaufärber gelang es aufgrund der Schmerzen nicht, sein familiäres Drama an einem Stück zu erzählen. In kurzen Abständen wurde er von stechenden Schmerzen geschüttelt, und es dauerte einige Zeit, bis er wieder in der Lage war, weiter zu erzählen.
    »Geht’s wieder?«, fragte der Kastellan besorgt.
    »Einen Moment noch. – Ahhh! – Ja! … Gerade jetzt, da unser kleiner Didrik verschwunden und die Trauer in unserem Heim übergroß war, hätte uns Otward niemals grundlos allein gelassen. Da haben wir es einfach nicht mehr ausgehalten und den Maulesel vor den Karren gespannt. Wir sind am Vormittag des Heiligen Festes nach Dietmannsried aufgebrochen. Dort sind wir aufgrund des plötzlich einsetzenden Schneetreibens aber nicht mehr angekommen. Wir haben Glück gehabt, dass Weihnachten war und uns ein Bauer in seiner Scheune hat übernachten lassen. Er hat es als göttliche Fügung angesehen, gerade in der Heiligen Nacht ein herbergsuchendes Paar mitsamt einem Esel unterbringen zu dürfen. Dennoch war es schrecklich: Der Bauer hat in seinem Wahn, Maria und Josef leibhaftig zu beherbergen, das ganze Dorf aufgescheucht … Wie heißt es doch wieder?«
    »Das spielt jetzt keine Rolle. Wenn Euch irgendwann wieder eingefallen ist, wie dieses Dorf heißt, könnt Ihr es mir immer noch sagen. Aber jetzt sprecht weiter«, drängte Eginhard, bevor der Blaufärber wieder in Schlaf fallen würde.

    Hans Opser ächzte und stöhnte, bevor er fortfuhr: »Wir haben erst spät in der Nacht unsere Ruhe gefunden. Wenigstens haben uns die Leute Decken, Lebensmittel und heiße Getränke gebracht. Wir sind dann am frühen Morgen des Christtages weitergefahren. Am Haus meines Schwagers in Dietmannsried angekommen, haben wir schon von weitem den Trauerbuschen an der Tür gesehen. Da war uns klar, dass die Schwester meines Weibes ihrer schweren Krankheit erlegen war.«
    Der Blaufärber begann wieder zu weinen, wand sich vor Schmerzen und brauchte etwas Zeit, bis er weitererzählen konnte. »Und so war es auch! Obwohl schon die Trauer in unserem Haus und im Hause meines Schwagers groß war, ist es für uns noch schlimmer gekommen, weil Otward nicht da war. Er ist niemals dort angekommen. Wir wissen also nicht, ob er aus Staufen überhaupt herausgekommen oder ob ihm etwas auf der Strecke widerfahren ist. Da wir bei unserer Ankunft in Dietmannsried völlig entkräftet waren und es tagelang unablässig geschneit hat, mussten wir dort – ob wir wollten oder nicht – verweilen. Der Heimweg hat so lange gedauert, weil wir jeden Ort angefahren und dort in jedes Wirtshaus und in jede noch so schummrige Schenke gegangen sind, um nach unserem Sohn zu fragen. Aber niemand hat ihn je gesehen. Er war und ist spurlos verschwunden!«

    Der Kastellan war entsetzt. Er ahnte, wo Otward verblieben war. Trotzdem wartete er geduldig so lange, bis sich der Blaufärber beruhigt hatte.
    »Ihr müsst entschuldigen, aber aus Sorge um Euch sind wir über die Tenne in Euer Haus eingedrungen. Wir sind dankbar und froh, dass Ihr lebt!«
    Der Blaufärber nickte ermattet, weswegen sich jetzt Eginhard einmischte: »So, jetzt müsst Ihr aber wieder schlafen. Mit Eurer Erlaubnis werden wir es organisieren, dass jemand in Euer Haus geht und den Ofen anheizt. Wenn Ihr in ein paar Tagen nach Hause kommt, müsst Ihr es warm haben.«
    »Wir

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