Die Pestspur
geben Euch dann ein paar Schafwolldecken mit«, versprach die Bäuerin, bevor Eginhard alle aus dem Zimmer schickte. »Und jetzt zeigt mir noch kurz Eure Finger, dann lasse ich Euch endgültig in Ruhe. Ich bereite eine heilende Salbe aus der Arnikawurzel zu und bringe sie heute noch vorbei. Aber nun erholt Euch erst einmal im Schlaf.«
Doch der Blaufärber dachte nicht daran und bestand darauf, sein Weib zu sehen, was ihm Eginhard denn auch zugestand. Der besorgte Mann strich mit seiner verbundenen Hand zart über ihre glühenden Wangen und brach dann weinend zusammen, bevor er ihr sagen konnte, dass er sie liebte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihn zu seinem Lager zurückgebracht hatten. Als dies – begleitet von den Gebeten des Propstes – geschafft war, sank der Blaufärber, wie zuvor schon seine geliebte Frau, in heilenden Schlaf.
Eginhard drängte seinen Vater zur Eile. Er wollte jetzt endlich wieder an der Seite seiner Mutter sein.
»Und Ihr haltet Euch bereit«, sagte er zum Propst, als sein Vater gerade nicht neben ihnen stand.
»Ich kann doch jetzt gleich mitgehen, Eginhard«, bot der Seelsorger an und hob seine Tasche mit dem Versehbesteck in die Höhe.
»Herzlichen Dank. Aber ich möchte nicht, dass sich Vater und die anderen unnötig Sorgen machen. Sollte es so weit sein, lasse ich nach Euch schicken. Vom Propsteigebäude zum Schloss ist es ja nicht weit.«
Als die drei auf dem Heimweg waren und sich vor der Kirche verabschiedeten, fragte der Propst knapp: »Wann?«
Ulrich Dreyling von Wagrain und sein Sohn blickten sich an und mussten über den Eifer ihres Freundes lachen.
»Man soll das Eisen schmieden, solange es heiß ist! Entweder erledigen wir es gleich morgen oder übermorgen«, schlug der Propst, der den neuerlichen Einbruch beim Medicus schnell hinter sich bringen wollte, vor.
»Wir können es aber auch so machen wie beim letzten Mal: Sowie du feststellst, dass der Medicus im Wirtshaus ist, kommst du zu uns ins Schloss hoch. Wir werden zu jeder Zeit gerüstet sein und das Werkzeug griffbereit haben«, empfahl der Kastellan als Vorgehensweise.
»Der ist doch jeden Tag im Wirtshaus! – Zumindest ist er jeden Tag betrunken«, konterte Johannes Glatt lachend.
»Also gut: Fackeln wir nicht lange und packen es gleich morgen an!«
*
Auf den letzten Schritten des Heimweges hatte Eginhard seinem Vater berichtet, dass es um die Mutter schlechter stehen würde, als er ihm gegenüber bisher zugegeben hatte. »Ich weiß bald nicht mehr, was ich noch tun soll«, gestand er jetzt offen ein.
Im Schloss angekommen, kümmerte sich der angehende Medicus sofort wieder um die Kranke, während der Vater nur kurz in die Schlafkammer schauen durfte. Eginhard schickte ihn mit der Begründung hinaus, dass er sich um Diederich kümmern müsse. Er wollte erst selbst sehen, was mit der Mutter los war.
Der Kastellan konnte zwar vorbildlich mit Waffen, Handwerkszeug, Federkiel, Flora und Fauna umgehen, zeigte sich aber stets etwas unbeholfen, wenn es um häusliche oder gar gesundheitliche Dinge ging. So war es ihm gerade recht, dass er in Eginhard einen heilkundigen Sohn hatte.
»Du machst das schon«, pflegte er zu sagen, wenn er sich vor irgendwas drücken wollte, was ihm nicht behagte.
Und tatsächlich war das eingetroffen, was Eginhard befürchtet hatte: Der Gesundheitszustand seiner geliebten Mutter hatte sich weiter verschlimmert. Er schickte auch seinen jüngeren Bruder aus dem Raum, der mittlerweile einen todmüden Eindruck auf ihn machte. »Lodewig, du hast deine Sache sehr gut gemacht! Jetzt bin ich dran. Leg eine Pause ein«, lobte er ihn wieder und drückte ihn kurz an sich.
Nachdem Eginhard einen frischen Kräutersud bereitet, seiner Mutter Schluck für Schluck eingeflößt und sie am ganzen Körper mit einem kaltfeuchten Tuch abgerieben hatte, bevor er sie wieder in mehrere Laken und Decken gewickelt hatte, ließ er seinen Vater zu ihr. Er wollte ihm noch die Möglichkeit geben, mit seiner Frau allein zu sein, bevor sie … Eginhard durfte nicht daran denken.
Obwohl es bereits spätabends geworden war, befasste er sich noch mit der Arnikasalbe für den Blaufärber und seine Frau. Er würde die beiden in Bezug auf deren körperliche Schmerzen nicht im Stich lassen. Die seelischen Wunden würde er allerdings nicht heilen können – hierfür war der Propst zuständig. Sorgen bereitete ihm auch noch, dass er den Kranken ein paar abgestorbene Glieder würde abnehmen müssen. Während
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