Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
Vom Netzwerk:
schüttelte ungläubig den Kopf, vertraute aber voll und ganz auf das Wissen seines älteren Bruders, der ihm erklärte: »Dass Fasten heilsam für Leib und Seele ist, weiß ich nicht nur von meinem Studium kranker Tiere her, sondern auch durch meine Kenntnisse über die verschiedenen Weltreligionen: Jesus hat vierzig Tage in der Wüste gefastet. Auch Mohammed, Buddha und Konfuzius haben das Fasten ebenso gelehrt, wie es die Juden noch heute tun, weil sie von dessen Bedeutung für die Gesundheit überzeugt sind.«
    Obwohl Lodewig von Propst Glatt davon gehört hatte, schüttelte er wieder den Kopf und murmelte leise: »Wenn das nur gut geht.«

    *

    »Ist niemand bei Mutter?«, fragte der Kastellan erstaunt, nachdem er in die Küche gekommen war. »Was tut ihr hier? Ist etwas nicht in Ordnung?«, wollte er wissen und schlug dabei den Weg zur Schlafkammer ein.
    Aber Lodewig packte ihn am Arm. »Nein, nein, Vater! Alles ist so weit in Ordnung. Lass sie schlafen und setz dich zu uns. Eginhard erzählt gerade, was er alles tun wird, damit Mutter gesund wird.«
    Die Augen des Vaters blitzten auf und tanzten unruhig zwischen Lodewig und Eginhard hin und her. »Wird sie wieder gesund?«
    »Setz dich, Vater«, bat ihn jetzt auch Eginhard, bevor er alles, was er Lodewig bereits erzählt hatte, wiederholte.
    »Du hast gesagt, dass Mutters Behandlung auf drei Säulen fußen wird?«
    »Ja, Vater. Das habe ich gesagt, und jetzt erkläre ich euch das zweite Fundament, das sich ebenfalls aus meinen aufmerksamen Beobachtungen kranker Tiere, die nur wenig oder überhaupt nichts saufen, ergibt.«
    Nachdem Lodewig einen weiteren Becher mit Kräutersud geholt und sich der Vater ein Pfeifchen gestopft hatte, ergriff Eginhard wieder das Wort: »Unabhängig von meinen eigenen Studien weiß ich aus Gesprächen mit Fuhrleuten und Soldaten, dass Pferde umso früher ermatten und stärker schwitzen, je mehr sie getränkt werden. Sobald sie aber nur Trockenfutter mit einer geringeren Menge Wasser bekommen, entwickeln sie wesentlich mehr Kraft und Ausdauer.«
    »Und was heißt das?«, drängte der Vater.
    Eginhard rieb sich über die Stirn, bevor er eine Antwort gab. »Um die schädlichen Körpersäfte auszuschwemmen, dürfte eine wechselweise Gabe von Flüssigkeit dienlich sein«, sagte er knapp und erläuterte die Sache, nachdem er einen Schluck genommen hatte: »Damit sich Mutter des schädigenden Drecks schneller entledigen kann, muss ich sie jetzt noch mehr schwitzen lassen als bisher. Da ich festgestellt habe, dass sie immer dann stärker zu schwitzen beginnt, wenn wir ihr einen nasskalten Wickel auf die Stirn gelegt haben, habe ich ihren ganzen Körper in ein nasskaltes Leintuch gewickelt, bevor ich eine wärmende Decke daraufgelegt habe. Versteht ihr das?«
    Obwohl Lodewig und sein Vater noch nicht allzu viel mit dem, was Eginhard gesagt hatte, anfangen konnten, nickten sie.
    Am besten wäre es wohl, wenn ich auch die Gliedmaße einzeln umwickeln würde, überlegte sich Eginhard inzwischen.
    Obwohl er wusste, dass es revolutionäre Heilmethoden waren, die er von seinem Professor erlernt hatte und auf die er teilweise selbst gekommen war, musste der liebende Sohn für seine Mutter alles riskieren. Würde man ihn bei der Anwendung seiner unorthodoxen Methode erwischen und sie womöglich sterben, dann könnte es gut sein, dass er der Scharlatanerie und der Quacksalberei angeklagt und verurteilt werden würde, was schreckliche Folgen für sein berufliches Vorwärtskommen hätte. Womöglich würde ihn dies sogar unters Richtschwert bringen. Aber das riskierte er seiner Mutter zuliebe gerne – sein Vater und sein Bruder mussten dies ja nicht wissen.
    »Und nun kommt mit«, sagte er und stand auf. »Wir wickeln ihr jetzt gemeinsam die Arme und die Beine ein. Dann können wir uns später in allen Arbeitsbereichen abwechseln und werden nicht allzu geschwächt, wenn wir Mutter wochenlang rund um die Uhr betreuen.«
    »Wochenlang?«, fragte der Vater besorgt.
    »Natürlich nicht. Dies war nur so dahingesagt«, beruhigte Eginhard seinen Vater und lenkte vom Thema ab: »Und nun kommt!«
    Nachdem er Rosalinde aufgetragen hatte, Leintücher und Wolldecken zu holen, und Lodewig mit einem Eimer kalten Wassers zurückgekommen war, gingen sie in die elterliche Schlafkammer, um sich gemeinsam ihrer Mutter zu widmen.
    »Du kommst auch mit, Rosalinde!«, gebot der Kastellan. »Es kann nicht schaden, wenn auch du Bescheid weißt.«
    Während Eginhard

Weitere Kostenlose Bücher