Die Pestspur
zustimmend nickte, machte die Magd einen braven Knicks.
»Ja, Herr. Was soll ich tun?«
Eginhard schüttelte ein Laken aus, reichte es ihr und deutete mit seinen Händen ungefähr eine Elle an.
»Du könntest dieses Leintuch in so große Stücke reißen.«
Rosalinde machte wieder einen Knicks.
»Ja, junger Herr.«
Während Eginhard die einzelnen Schritte erklärte und damit begann, seiner Mutter die ersten feuchtkalten Tücher um die Beine zu wickeln, wachte sie erschrocken auf und versuchte, gleich mit Eginhard sprechen: »Die Blau …« Aber sie war zu erschöpft, um überhaupt einen ganzen Satz hervorzubringen.
Nachdem sie auf das sich anfangs unangenehm anfühlende Laken mit Frösteln reagiert hatte, beruhigte sie sich wieder. Und schon kurz, nachdem Eginhard ein ganzes Laken auf sie gelegt und seitlich unter ihren Körper gesteckt hatte, glaubte er, ein kaum wahrnehmbares wohliges Lächeln in ihren Gesichtszügen zu erkennen. Als er auch noch zwei Wolldecken daraufgelegt und die Mutter mit drei Bändern fest eingewickelt hatte, war er sicher, das Richtige getan zu haben … auch wenn sein Vater, Lodewig und Rosalinde ängstlich dreinschauten.
»Seht ihr? Sie fühlt sich wohl. Aber jetzt dürfen wir sie keinen Augenaufschlag allein lassen – es muss Tag und Nacht jemand an ihrem Lager sitzen.«
»Warum?«
»Weil sich ihr Körper gegen die zunehmende Wärme wehren und sie ab jetzt immer stärker schwitzen wird, was möglicherweise Halluzinationen mit sich bringt. Und da ich nicht weiß, wie sie darauf reagieren wird, könnte es sein, dass sie allzu unruhig wird und schnell ausgewickelt werden muss. Da wir aber zu dritt sind, dürfte dies kein Problem sein. So können sich immer zwei von uns ausruhen oder ihrem Tagwerk nachgehen.«
Nachdem alle zustimmend genickt hatten und geklärt war, dass Rosalinde mit der Krankenwache beginnen würde, deutete Eginhard zu seiner Mutter. »Seht ihr? Sie hat zu einem rhythmischen Atmen gefunden.« Zu seinem Vater und zu Lodewig sagte er, dass sie sich zurückziehen könnten und Rosalinde gebot er, ab jetzt die erste Wache zu übernehmen und die Schweißperlen auf Mutters Stirn nur abzutupfen, wenn es erforderlich war und ihr ständig einen kalten Wickel unter das Genick zu stopfen. »Und wenn was ist, rufst du mich sofort.«
Der Vater und seine Söhne setzten sich wieder an den Küchentisch und schenkten sich vom heißen Kräutersud ein, zu dem Eginhard bemerkte: »Leider muss ich Mutter dieses köstliche Getränk vorenthalten«.
Als er dies hörte, verdrehte der Vater unmerklich die Augen. Er hätte jetzt lieber einen Becher des göttlichen Weines vom Bodensee oder, noch besser, einen Schnaps gehabt.
»Soll das heißen, dass sie jetzt auch nichts mehr zu trinken bekommt?«, entsetzte sich Lodewig.
»Nur heute«, beruhigte ihn Eginhard. »In den nächsten beiden Tagen wird sie wieder mehr Flüssigkeitszufuhr bekommen, bevor sie wieder einen Tag darauf verzichten muss.« Dieser Rhythmus wird die giftigen Körpersäfte ausschwemmen, hoffte er im Stillen, war sich aber alles andere als sicher.
Er kostete den kräftigenden Sud aus Kamillenblüten, Melisse, Hagebutte und Lindenblüten, der in besonderem Maße die Bündelung von Schadstoffen im Körper unterstützen und austreiben sollte.
»Dann kann ich ja jetzt mit Ignaz in den Wald«, sagte der Vater unruhig, weil dort noch viel zu tun war.
Eginhard nickte. Er war froh, dass sich sein Vater mit Arbeit ablenken konnte.
»Sofern du bis zum Einbruch der Nacht wieder zurück bist. Wir haben heute noch etwas vor.«
Jetzt nickte der Altkastellan und grinste sogar ein bisschen.
Eginhard bat Lodewig, Holz nachzulegen, damit er mit Diederich in die Schlosskapelle gehen konnte, um für die Gesundheit ihrer Mutter zu beten. Aber Eginhard konnte sich auch im Angesicht der Jungfrau Maria nicht so recht konzentrieren. Seine Gedanken kreisten wie wild zwischen seiner kranken Mutter, seinem Studium, dem Medicus und dem Unheil, das dieser angerichtet hatte und immer noch anrichten konnte.
Heute wird im wahrsten Sinne des Wortes abgerechnet, nahm sich der kluge Studiosus, der es nicht erwarten konnte, die Schande seines Berufsstandes endgültig zu entlarven, zornig vor.
Er war absolut überzeugt, dass sie in der kommenden Nacht weitere Beweise für die Schuld des mutmaßlich skrupellosen Verbrechers finden würden. Inständig hoffte er, das Geld aufstöbern zu können, das der Medicus von seinen bedauernswerten Opfern
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