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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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wäre es mit dem ›Rattentrichter‹ ?«, rief ein aus Burgberg stammender Beisitzer dazwischen, der aber nicht damit durchzukommen schien, weil alle anderen wie angeekelt die Köpfe schüttelten.
    »Glück gehabt!«, sagte der Richter zum Delinquenten, dem man die Erleichterung ansehen konnte.
    Während sich Heinrich Schwartz’ Kopf fassungslos von einem Redner zum anderen wandte, staunten die Beisitzer nicht schlecht über die grausamen Vorschläge des als sanftmütig bekannten Kastellans und ihres nicht minder gutmütigen Burgberger Kollegen.
    Eginhard sah seinen Vater an, als würde ein Fremder neben ihm sitzen. So brutal hatte er sein Vorbild noch nie erlebt. Da der Kastellan den Medicus besser kannte als alle anderen im Raum, wusste er, auf was der Säufer reagieren könnte, hakte er nach: »Und selbstverständlich würde ich ihn im Ravensburger Arbeitshaus bis auf die Gerichtsverhandlung oder sogar bis zur Vollstreckung des Todesurteils – das für mich außer Zweifel steht – warten lassen. Dort soll man ihm so lange nichts zu trinken geben, bis ihm die vertrocknete Zunge heraushängt, die man ihm dann gleich abschneiden könnte, wenn er immer noch nicht geredet hat. Außerdem würde ich ihm …«
    Das war entschieden zu viel für den Medicus, der den Kastellan jetzt unterbrach. Nein, noch mehr dürsten wollte er nicht. Dann schon lieber den Schwedentrunk oder den Rattentrichter. Der aus seiner Warte offensichtlich sadistisch veranlagte Schlossverwalter hatte ihm das Stichwort gegeben. So bettelte der Gefangene jetzt um einen Schluck Schnaps. Seine Kehle sei ebenso trocken wie sein Gehirn, jammerte er.
    Der Vorsitzende, der längst erkannt hatte, dass gerade Letzteres stimmte, grinste zum Kastellan hinüber und ließ von der herbeigerufenen Magd einen kleinen Krug Obstbranntwein holen. Er ließ das verlockende Nass direkt vor den Gefangenen, dem die Hände gebunden waren, stellen. Alle warteten neugierig ab, was jetzt wohl geschehen würde. Als der Medicus zu jammern und zu betteln begann, während ihm vor lauter Gier der Speichel aus den Mundwinkeln troff, rief der Vorsitzende eine der Wachen zu sich und tuschelte ihr etwas ins Ohr. Daraufhin ging der Soldat zum Gefangenen und schenkte zwei Finger breit in einen Zinnbecher, den er beim Abstellen ›versehentlich‹ umschüttete. Während der Soldat den Vorsitzenden fragend ansah und ein fast unmerkliches Kopfnicken erfuhr, nahm er den Krug an sich und wandte sich zum Gehen.
    »Bitte! – Haltet ein!«, flehte der Medicus, der damit beschäftigt war, das köstliche Nass vom Tisch zu lecken. »Ich sage alles, wenn Ihr nur den Krug hier lasst und mir einen einzigen Schluck daraus gewährt.«
    Angewidert sahen die Anwesenden zu, wie er – nachdem ihm die Fesseln gelockert worden waren – die letzten Tropfen so gierig aus dem inzwischen wieder gefüllten Zinnbecher sog, dass es den Becherboden wie durch ein Vakuum nach innen zu ziehen drohte. Jedenfalls funktionierte die Strategie des Kastellans, und der Gefangene sagte danach alles, was die Kommissionsmitglieder hören wollten. Auch die Frage des Vorsitzenden, ob er denn die Giftpflanzen allein ausgesucht, eingekauft, zu einem tödlichen Sud verarbeitet und den erbarmungswürdigen Opfern ebenfalls allein – ohne einen Mittäter – verabreicht hatte, beantwortete der Medicus wahrheitsgemäß mit einem laut vernehmbaren »Ja!«
    Als der Vorsitzende daraufhin ein angewidertes »Unglaublich!« zischte, überkam den Gefangenen fast ein wohliges Gefühl von Stolz.
    »Und wie habt Ihr die Sache geplant?«, fragte der Kastellan.
    »Wie meint Ihr das?«, kam es zurück.
    »Nun: Seid Ihr allein gewesen oder habt Ihr die ganze Sache vielleicht doch mit einem Komplizen geplant?«
    »Nein, nein, nein!«, winkte der Medicus vehement ab und schüttelte den Kopf so fest, dass sich sogar die in seinem Gesicht klebenden Haare lösten. »Ich habe die Sache ohne Hilfe anderer geplant und auch allein durchgezogen.«
    »Das glaube ich Euch nicht! Da Ihr Euren Verstand schon längst versoffen habt, seid Ihr nicht mehr in der Lage gewesen, auf eine solch große Sache zu kommen und diese auch noch ohne fremde Hilfe zu Ende zu bringen.«
    Der Medicus hätte sich – jetzt, nachdem er Schnaps in sich hatte – lieber auf die Zunge gebissen, als den Totengräber zu verraten. Immerhin war er der Einzige, der ihn noch befreien konnte.
    »Ihr wisst, was es für das Strafmaß bedeuten könnte, wenn Ihr uns eventuelle Mittäter nennen

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