Die Pestspur
Bevölkerung herumsprechen würde, was geschieht, wenn die gräflichen Gesetze auf das Schändlichste missachtet werden.
»Nein!«, entrüstete sich der Kastellan. »Habt Ihr nicht gehört, dass wir dies nicht dürfen?« Außerdem wollte er die Dorfbewohner nicht mit in die Sache hineinziehen.
»Das Volk wird uns sowieso noch genug zu schaffen machen«, unterstützte ihn unverhofft der Landrichter. Er hätte zwar gerne Blut gesehen, allerdings wusste er auch, wie es zugehen würde, wenn später tatsächlich das Todesurteil über den Medicus gesprochen würde. Nur allzu gerne würde das Volk auf den Henker verzichten und dessen Arbeit selbst übernehmen.
Die Diskussion dauerte nicht lange, und der Vorsitzende ließ den Gefangenen wieder hereinbringen.
»So, Medicus! Da Ihr es vorzieht, uns die Wahrheit über die schrecklichen Geschehnisse vorzuenthalten und Ihr die dort drüben liegenden Beweisstücke nicht zu kennen scheint, mussten wir uns wohl oder übel zur Folter entschließen. Wir wissen nur noch nicht, wie«, sagte der Richter aufgesetzt nachdenklich, während er wie grübelnd an seinem Kinnbärtchen zupfte.
»Wir blenden ihn mit dem heißen Eisen!«, rief einer der Beisitzer, während er wie wutentbrannt aufstand und mit einer Faust so fest auf den Tisch schlug, dass es schepperte.
»Nein! Ich schlage die altbewährten Daumenschrauben vor«, konterte ein anderer.
Wieder ein anderer schien sich für den als offizielle Foltermethode noch unbekannten, aber – wie man hörte – wirkungsvollen ›Schwedentrunk‹ zu begeistern. Nachdem er diese fürwahr grausame Quälerei erst in allen Einzelheiten erklärt hatte, da diese – zumindest hier auf dem Land und dort, wo die Schweden noch nicht marodierend durchgezogen waren – unbekannt war, schüttelten alle angewidert die Köpfe, was dazu führte, dass dem Angeklagten ein Seufzer der Erleichterung entfuhr.
»Freut Euch nicht zu früh«, wurde der Medicus dafür vom Vorsitzenden, dem dessen Reaktion auf das allseitige Kopfschütteln aufgefallen war, zugeraunt. »Was meint Ihr, Dreyling von Wagrain?«, fragte er danach in Richtung des Kastellans.
Da der Schlossverwalter Grausamkeiten jeglicher Art verabscheute, wollte er am liebsten keine Antwort geben. Weil es sich aber um ein abgekartetes Spiel handelte und er wusste, dass diese Art von Folter trotz des Verbots gang und gäbe war, erwog er, das Wort zu erheben. Es war ihm klar, dass er damit seinen Beitrag dazu leisten konnte, dem Medicus die Folter endgültig zu ersparen. Also musste er sich notgedrungen auf dieses Spiel einlassen. Außerdem hatte er noch einige ganz persönliche Fragen an den Delinquenten.
»Na gut …«, beantwortete der Kastellan die Frage des Richters. »Aber wenn schon, dann richtig«, sagte er und stand auf, um seinen Worten noch mehr Gewicht zu verleihen. »Damit der Medicus sicher zum Sprechen gebracht wird und wir keine unnötige Zeit verlieren, würde ich – unter strikter Einhaltung der ›Vier-Phasen-Methode‹ – kombinierte Maßnahmen vorschlagen«, erklärte er mit künstlich aufgesetzt eiserner Miene.
Als der Medicus den Begriff ›Vier-Phasen-Methode‹ hörte, brauchte man ihn nicht mehr zu foltern, da sich seine Zehennägel jetzt schon von selbst aufzurollen drohten.
»Was meint Ihr damit, werter Schlossverwalter?«, fragte der Vorsitzende sichtlich amüsiert.
»Na ja: Zuerst würde ich ihn in unserer bestens ausgestatteten Folterkammer mit dem Rücken zur Wand an die Decke hängen und ein wenig auspeitschen lassen. Aber wirklich nur ein bisschen … damit er von der darauf folgenden Pein auch noch etwas hat. Danach könnte der Kerkermeister auf seinen Rücken glühende Kohlen drücken – wovon er ihm auch eine in den Mund stecken könnte, um seine Zunge zu lösen. Sollte das immer noch nicht ausreichen, könnten – wie der ehrenwerte Herr Kollegius bereits vorgeschlagen hat – Daumenschrauben und Streckbank zum Einsatz kommen. Wenn Ihr wollt, schlagen wir ihm danach auch noch mit einem Wagenrad aufs Herz.«
»Letzteres ist zwar eine altbewährte Methode im rothenfelsischen Gebiet und hätte meine volle Zustimmung, wenn er dadurch nicht schlagartig getötet würde! – In diesem Falle hätten weder er noch das Volk etwas davon«, gab einer aus der Runde mit ernst wirkender Miene zu bedenken.
»Wie recht Ihr doch habt«, bemerkte der Kastellan anerkennend. »Der geschundenen Bevölkerung steht es zu, ihren Schinder möglichst lange leiden zu sehen.«
»Wie
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