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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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zu verabschieden und einige Unterlagen abzuholen, die er in dessen Auftrag Abt Vigell übergeben musste.
    »Was ist mit Euch?«, fragte Eginhard den priesterlichen Freund und drückte ihn herzlich an sich, bevor er aufs Pferd stieg. So hatte er ihm die Möglichkeit gegeben, seine nassen Augen unauffällig trockenzuwischen.
    Mit allen erdenklichen Segenswünschen des Propstes und der katholischen Kirche versehen galt sein letzter Besuch den Blaufärbern, die er trotz der vielen Arbeit mit der Aufklärung des ›Pestfalles‹ die ganze Zeit über betreut hatte. Sein Vater hatte es sich nicht nehmen lassen und dem Hasen aus dem Eisloch persönlich das Fell über die Ohren gezogen. Diesen und noch einige andere Vorräte brachte Eginhard den Opsers mit den besten Genesungswünschen seiner Eltern. Eginhard war mit dem Heilungsprozess der teilweise erfrorenen Glieder der beiden zufrieden, auch wenn beim Mann eine große Zehe und bei der Frau zusätzlich noch zwei Finger nicht mehr zu retten gewesen waren. Am meisten freute es ihn aber, dass die vom Leben ganz besonders gebeutelten Leute aufgrund der Tatsache, dass sie selbst fast erfroren waren, das Leben wieder aus einer anderen Perspektive – ein kleines bisschen zuversichtlicher – sahen und nicht immer nur an ihre beiden verschwundenen Söhne, sondern zwischendurch auch ein klein wenig an sich selbst dachten.
    »Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sagte der Blaufärber zuversichtlich zu Eginhard, während seine Frau dem Studiosus beim Abschied ein Kreuz auf die Stirn zeichnete.
    »Seid guten Mutes, ihr tapferen Leute«, empfahl Eginhard.
    »Gott segne Euch. Kommt bald wieder nach Staufen zurück. Wir alle brauchen Euch, edler Herr«, beschwor ihn Gunda Opser und legte seufzend ihren Kopf an die Schulter ihres Mannes.
    »Das kann ich euch leider nicht versprechen. Mein Studium wird zwar – sofern nichts dazwischen kommt – noch in diesem Jahr zu Ende gehen, aber ich habe viel versäumten Lehrstoff nachzuholen«, gestand Eginhard offen. Er konnte froh sein, wenn sich der Ärger wegen seiner langen Abwesenheit in Grenzen halten und es keine unverhofften Probleme geben würde. So nahm er sich vor, dem Abt des Klosters Mehrerau, den Lehrern und den einfachen Mönchen die haarsträubenden Geschichten aus Staufen zu erzählen, um etwas Abwechslung in ihr tristes Klosterleben zu bringen und sie damit von seiner Person abzulenken.

    Obwohl sich Eginhard längst von seiner Familie verabschiedet hatte, ritt er zum Schloss zurück, wo er alle noch einmal in die Arme nehmen wollte. Gerade die Mutter war überglücklich, ihren geliebten Sohn unverhofft erneut an sich drücken zu dürfen, was sie denn auch ausgiebig tat, bevor er sich endgültig losriss.
    Zuvor aber hatten sie ihn mit so vielen Küssen und Umarmungen eingedeckt, dass es ihn die ganze Strecke hinweg kaum frieren dürfte.

    Eginhard hatte ihnen allen, sogar dem stolzen Vater, durch seine Klugheit, Besonnenheit und Sanftmut ein hohes Maß an Sicherheit und Geborgenheit gegeben. Diederich, den die Trennung besonders mitgenommen hatte, musste sich noch lange nach der Abreise seines großen Bruders die Tränchen aus dem Gesicht wischen. Während seines Hierseins war dem Großen der Kleine ganz besonders ans Herz gewachsen. Und auf Lodewig war der Studiosus mindestens so stolz wie Lodewig auf ihn. Den freute es ganz besonders, einen Bruder zu haben, der ihn in seiner Liebe zu Sarah immer wieder bestärkt hatte und mit dem er über alles hatte sprechen können. Dass Eginhard sich von den Bombergs persönlich verabschiedet hatte, machte ihn besonders glücklich.

    Es hatte schon lange nicht mehr geschneit, und die täglich stärker werdende Sonne schien nun den Kampf gegen die Unbilden des Winters zu gewinnen.
    »Da es am Bodensee unten sowieso wesentlich wärmer ist als im Allgäu, dürfte Eginhard eine angenehme Reise haben«, sagte Konstanze zu ihrem Mann und genoss es, seine starke Hand in der ihren zu spüren, während sie einschlief.

    *

    In Staufen war man bemüht, alles wieder seinen gewohnten Gang gehen zu lassen. Weil die Bewohner des kleinen Marktfleckens immer noch damit beschäftigt waren, die durch den Medicus geschlagenen Lücken zu verarbeiten, ließen sie – was es ihres Wissens nach noch nie gegeben hatte – die Fasnacht einfach ausfallen; zu viel Elend hatte ihnen das unselige Jahr 1634 gebracht. Jetzt hofften sie allesamt auf ein besseres 1635. Die nächste Fasnacht würden sie sicherlich wieder so

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