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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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leidenschaftlich feiern können, wie sie es seit Generationen gewohnt waren. Dann würden sie sich wieder mit Fleckleshäs verbutzen, was nichts anderes hieß, als sich mit Hilfe bunter Gewandungen zu verkleiden, um die Geister des Winters und die Dämonen der Kälte zu vertreiben.
    Während in anderen Allgäuer Orten am Fasnachtsdienstag – den die Staufner von jeher ›Fasnatziestag‹ nannten, weil der Dienstag dem germanischen Gott Ziu geweiht und außerdem der Tag war, an dem der Zins abgeliefert werden musste – die Fasnacht ihrem Höhepunkt zuging, blieb es in Staufen ruhig. Den Kindern fiel dies natürlich sehr schwer. Auch Diederich war an diesem Tag traurig, weil er sein buntes Fleckleshäs nicht überstreifen durfte.
    Da er kein Verständnis für die blöde Fasnachtsenthaltsamkeit zeigte, blieb er stundenlang in seinem Schmollwinkel, in den er sich stets zurückzog, wenn ihm etwas nicht passte.

    *

    Vor drei Wochen hatte Sarah Lodewig gesagt, dass sie sein Kind unter dem Herzen trage. Sie waren beide überglücklich, beschlossen aber, so lange ihren Familien nichts zu sagen, bis sie ganz sicher sein konnten. Nur Eginhard war heimlich informiert worden, weil er der Taufpate werden sollte.
    Lodewig hatte nur noch Augen für seine geliebte Sarah, die einmal mehr wunderschön anzusehen war. Er besuchte sie jetzt täglich, dann verkrochen sie sich in Bombergs Scheune und träumten von ihrer gemeinsamen Zukunft. Seit Sarah wusste, dass sie in freudiger Erwartung war, ließ sie nur noch oberflächliche Zärtlichkeiten zu. Und dies würde so bleiben, bis das Kind da war. Keinesfalls wollte sie dem Ungeborenen schaden oder ihm gar wehtun lassen.
    Mittlerweile hatte sich auch Jakob Bomberg daran gewöhnt, dass er die Liebe seiner ältesten Tochter mit einem Andersgläubigen teilen musste. Er hätte es sowieso nicht verhindern können … und er wollte es jetzt auch nicht mehr. Der tiefgläubige Jude hatte sich schon immer einen Sohn gewünscht. Jetzt hatte er einen – und was für ein Prachtexemplar! Dies machte ihn glücklich. Außerdem gab die enge Verbundenheit zu den Dreylings von Wagrain seiner Familie ein gewisses Maß an Sicherheit.
    »Wer weiß, wofür diese Verbindung noch nützlich ist?«, sagte Jakob zu Judith und bekam zur Antwort: »Aber Liebster, das ist doch nun wirklich nicht wichtig. Nur die aufrichtige Liebe der jungen Leute zählt.«
    Jakob grübelte laut: »Wenn sich Judith da nur nicht täuscht.«
    »Was sagst du, Jakob?«
    »Ach, nichts!«
    Die Dörfler hatten den Winter über allesamt genügend gefroren und freuten sich jetzt auf das Ende der Schneeschmelze. Dann würden sie endlich in die Wälder gehen und klammheimlich die im Winter zurückgelassenen Baumstümpfe verschwinden lassen können, indem sie diese ausgruben und zerkleinerten, bevor sie die dadurch entstandenen Krater mit Erdreich zuschütteten und mit Laub kaschierten. Zusammen mit dem Holzbruch würden sie dann schon zu Jahresanfang eine gute Brennholzvorsorge für den nächsten Winter getroffen haben. Frisches Holz zu schlagen war ihnen – wie das Jagen – bei Androhung hoher Strafen verboten. Im erneuerten ›Jagd-Geboth‹ von 1631 stand geschrieben: »Hirsch-Stuck, Wildkälber, Gämse, Rehe, Wildschwein, Beeren, Wölfe, Luchsen, Füchse, Hasen, Biber, Otter, Dachs, Marder, Iltis, Aur- und Spilhanen, Hasel- unnd Schneehiener, Schnepfen, Anten unnd all andere Vögel, groß unnd klein, mithin all stiebend unnd fliegendes Wildpreth, wie es Nahmen haben kann, weder zu schießen, zu jagen, zu hetzen, weder mit Garn, Wildsaileren unnd Fallen zu richten, noch zu fangen, weder Vogelgerichtel oder Vogelheerde aufzustellen unnd zu errichten, noch junge Vögel auszunehmen oder die Ayer auszuheben, noth folglichen das geringste Waidwerk zu treiben. Zuwiderhandlungen werden mit Strafe an Leib, Hab unnd Gut bedroht.«
    Das hieß für die Männer und Burschen des Dorfes, dass sie selbst in Notzeiten mit hohen Geld- oder Sachstrafen rechnen mussten, die Hand abgehackt werden konnte, der Kerker oder sogar der Strang drohte, wenn man sie beim Wildern erwischte. Im besten Falle würden sie an den Pranger gestellt werden.
    Dennoch nahmen sie zum Bruchholzsammeln immer kleine Netze sowie trockene Brennspäne und Feuereisen mit. Vielleicht stießen sie im Schnee ja ›rein zufällig‹ auf eine Kaninchenfährte, die sie direkt zu deren Bau führte. Und wenn sie schon mal da waren, konnten sie den Bau – das gräfliche Gebot hin oder her –

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