Die Pestspur
geschöpfte Papier, das jetzt von einem Kurier schnellstens zum Grafen nach Konstanz gebracht werden sollte. Nun oblag es allein dem Landesherrn, zu entscheiden, wie weiter verfahren werden sollte.
»Es kann guten Gewissens gesagt werden, dass der Gefangene genügend Gelegenheit gehabt hat, sich zu verteidigen und dass fast alle Mittel der Beweisaufnahme genutzt worden sind, ohne die Folter einzusetzen«, sagte Ulrich Dreyling von Wagrain zu seinem Sohn.
Eginhard hingegen war nicht ganz so zufrieden wie sein Vater und monierte, dass man weder den Kräuterlieferanten verhört noch dessen Plantage besichtigt hatte. Letztendlich aber musste er respektieren, dass der oberste Richter darauf verzichtet hatte, weil die Sache aus seiner Sicht auch so klar war.
»Wahrscheinlich war es Zwick zu unbequem, bei dieser Kälte auch noch bis nach Hopfen zu reiten«, hatte er zu seinem Vater gesagt und verständnislos den Kopf geschüttelt.
»Dann steht einem sicherlich kurzen, aber gerechten Prozess nichts mehr im Wege«, ergänzte der Kastellan, der sich nach längerer Betrachtung ebenfalls zu der Meinung hatte hinreißen lassen, dass der Totengräber unmöglich etwas mit dem Medicus zu tun haben konnte und dass man deshalb Til, den Kräutermann, nicht behelligen müsse, zumal dieser nicht der rothenfelsischen Gerichtsbarkeit unterstand und deshalb zu einer Aussage gezwungen werden konnte.
Ganz am Schluss der letzten Zusammenkunft stellte der Vorsitzende noch fest, dass er es für unnötig hielt, sich nach den umfangreichen Recherchen noch einmal zu einer Anhörung in Immenstadt zu treffen. Er plädierte dafür, die fehlenden Beisitzer in Einzelgesprächen zu unterrichten und nach Absprache mit dem Grafen baldmöglichst die Gerichtsverhandlung anzuberaumen.
Auch Eginhard hob bei der anschließenden Abstimmung seine Hand.
Kapitel 49
Seit der Vernehmung des Heinrich Schwartz waren mehrere Wochen ins Land gegangen, und den überführten Massenmörder hatte immer noch niemand abgeholt, um ihn in die Residenzstadt zu bringen. Deswegen hatte er nach wie vor die unrühmliche Ehre, im Südturm des Schlosses Staufen residieren zu dürfen. Obwohl der Kastellan mehrfach darum gebeten hatte, war er bisher nicht erhört worden. Stattdessen erhielt er eine Depesche, in der sich Landrichter Zwick im Namen des Grafen für die Gastfreundschaft bedankte und ihm nochmals bestätigte, dass die weitere Anhörung in Immenstadt einvernehmlich mit dem Regenten abgesagt worden war … und jetzt müßen wir all nur noch auff den Thag deß Gerichts warten war am Schluss dieses Schreibens zu lesen. Einen Satz zuvor hatte der Landrichter seinem innigen Wunsch Ausdruck verliehen, bei der in den nächsten Wochen anstehenden Gerichtsverhandlung auch Eginhard dabeizuhaben.
Ulrich Dreyling von Wagrain eilte zu seinem ältesten Sohn, um ihm den Brief zu zeigen.
»Und du sollst auf ausdrücklichen Wunsch des Landrichters dabei sein«, sagte er nicht ohne Stolz, nachdem er ihm das Schreiben vorgelesen hatte.
Aber Eginhard war davon gar nicht begeistert und blockte ab: »In zwei Tagen möchte ich an meinen Studierplatz zurückkehren. Wegen Mutters Erkrankung und der Sache mit dem Medicus habe ich dort schon viel zu lange gefehlt«, sagte er und warnte gleich vor: »Es wird mir nicht möglich sein, in diesem Jahr das Kloster Mehrerau noch einmal zu verlassen.«
Dafür zeigte der Kastellan vollstes Verständnis.
»Ich werde es Zwick und Speen erklären. Aber jetzt lass uns nicht daran denken, sondern die letzten Stunden gemeinsam genießen. Während der vergangenen Tage hat Mutter nicht viel von dir gehabt.«
*
Der Abschied fiel allen sehr schwer. So war es kein Wunder, dass nicht nur der Mutter und Diederich die Tränen herunterliefen, als der älteste Sohn der Familie winkend vom Hof ritt. Auch Lodewig und der Vater konnten sich nicht zurückhalten.
»Und grüß mir in Bregenz alle recht schön, hörst du?«, rief er Eginhard noch nach, der sich auf den Weg zu den Bombergs vorbereitete, um sich auch dort zu verabschieden. Es war ihm wichtig, persönlich zu zeigen, dass er die Verbindung zwischen Lodewig und Sarah trotz des Glaubensunterschiedes gut hieß und sich auf die neue verwandtschaftliche Beziehung freute. Als er schon am Gehen war, drückte er Sarah noch einmal an sein Herz und wünschte ihr alles Gute. Dabei strich er ihr fast unmerklich über den Bauch und zwinkerte ihr zu.
Danach ging Eginhard noch kurz zu Propst Glatt, um sich ebenfalls
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