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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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einen Brief aufzusetzen. So grüßt nur den Oberamtmann zurück, fragt ihn, wann die Verhandlung sein wird und teilt ihm mit, dass in Staufen und im Südturm des Schlosses alles in Ordnung ist. Er wird verstehen und wissen, was ich meine. Ignaz hat Euer Pferd inzwischen abgerieben. Gebt dem Tier noch etwas Zeit, um zu fressen und zu saufen … und trinkt selbst noch einen Schluck, bevor Ihr wieder zurückreitet.«
    Nachdem sich der Kurier per Handschlag vom Kastellan verabschiedet hatte und, als er zur Tür hinaus wollte die Menschenmenge sah, drehte er sich noch einmal um und fragte ängstlich: »Die werden mir doch hoffentlich nichts antun?«
    Der Kastellan konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, während er antwortete: »In Staufen wird nur einmal im Jahr ein Soldat des Grafen mit der Mistgabel erstochen. Die Sache mit Eurem Kameraden war ein bedauerlicher Unfall, der sich nicht wiederholen wird. Ihr könnt getrost durch die Menschenmenge gehen. Gehabt Euch wohl und guten Ritt!«
    »Gott befohlen«, antwortete der Kurier, der dachte, dass die Staufner eine merkwürdige Art von Humor zu haben schienen. Verunsichert ging er in großem Bogen zum Stall, um sein Ross zu holen.

    *

    Mehr als hundert Augen sahen zuerst verwundert dem Soldaten nach und dann fragend den gräflichen Verwalter an, als dieser aus der Tür trat.
    »Ich weiß noch nichts. Ich habe einen Brief vom Grafen persönlich erhalten, muss ihn aber erst lesen. Wartet so lange, bis ich wieder zu euch komme! Ich schicke die Küchenmagd heraus, damit sie Dörrobst und mit Wasser verdünnten Wein verteilt. Mehr kann ich jetzt nicht für euch tun. Habt also etwas Geduld!«
    Dem Kastellan wäre es lieber gewesen, das wesentlich billigere und beim Volk gerade im Sommer allseits beliebte, durstlöschende und vor allen Dingen auch kräftigende Dünnbier zu spendieren, hatte aber wie so oft keines vorrätig. Da die Haltbarkeit des Weines die des Bieres – eine sachgemäße Lagerung vorausgesetzt – bei weitem überschritt und es in Staufen selbst derzeit keine Brauerei gab, war Bier hier Mangelware. War ein Fass erst einmal angestochen, musste es – ob man wollte oder nicht – innert weniger Tage geleert werden. Dies hatte dann für das Volk den Vorteil, dass es zwischendurch vom Kastellan zu einem kleinen ›Restetrinken‹ in den Schlosshof geladen wurde. Solche Gelegenheiten nutzte der Schlossverwalter dann, um den Gemeinsinn der Staufner Untertanen des Grafen heraufzubeschwören. So prosteten sich die Männer denn auch immer mit den Worten ›Für und Für‹ zu oder mit einem dreifachen ›Staufner lond it luck‹, was sich wörtlich mit ›Lasst nicht locker‹ übersetzen ließ.
    Obwohl der Immenstädter Braumeister aus einem alten Staufner Geschlecht hervorgegangen war, war er der Bitte des Kastellans nicht nachgekommen, statt der riesigen Holzfässer auch kleinere Einheiten abzufüllen.

    »Hoch lebe unser Kastellan!«, hörte er noch rufen, als er bereits im Vogteigebäude verschwunden war.
    Am Küchentisch sitzend brach er das gräfliche Siegel auf und las Konstanze den Brief vor.
    »Endlich!«, kommentierte sie das Gehörte und umarmte ihren Mann.
    »Na, na, na! Beruhige dich wieder.«
    Aufgrund des zufriedenstellenden Briefinhaltes ließ er sich von seiner Frau einen Schluck unverdünnten Weines einschenken und ging ans Fenster. »Sieh nach unten, mein Schatz! – Sind sie nicht ein friedliches Häufchen, unsere braven Staufner?«
    »Ja! Und sie haben so viel Schreckliches mitgemacht«, sagte Konstanze, ergänzte aber noch, dass sie dem momentanen Frieden nicht traue.

    *

    Da er ein persönliches Schreiben des Grafen mit hochbrisantem Inhalt zu verlesen hatte, wollte Ulrich Dreyling von Wagrain der Sache auch einen offiziellen Anstrich verleihen. Deshalb gab er Lodewig den Auftrag, wenigstens eine der gräflichen Rautenfahnen zu hissen.
    Als der gut aufgelegte junge Mann die Fahne vom Giebelfenster des fünften Stockwerkes des Hauptgebäudes herunterrollte, ging ein Raunen durch die Menschenmasse, das erst verstummte, als Lodewig mit seiner Arbeit fertig war und der Kastellan in vollem Dienstornat aus dem Vogteigebäude trat. Von der Zinnenmauer über dem Schlosstor konnte er von allen gut gesehen und gehört werden. Es herrschte absolute Stille, als er damit begann, das knisternde Papier aufzurollen.
    Fabio, der mittlerweile gelernt hatte, vorsichtiger zu sein, hatte sich aufgrund der Menschenansammlung in sicherer Entfernung ein Versteck

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