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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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gesucht. Durch eine Fensteröffnung im obersten Stock des Nordturm-Treppenhauses bekam er alles mit, ohne selbst gesehen zu werden. Ein idealer Platz, um die Menschen zu studieren. Er sah ein paar Gestalten, die er von seiner Flucht aus dem Heustadel der Wachters in unangenehmer Erinnerung behalten hatte. Er konnte sogar denjenigen unter ihnen erkennen, dem er vom Giebelfenster des Heustadels aus versehentlich auf den Kopf uriniert hatte.
    »Dem möchte ich nicht zwischen die Finger kommen«, murmelte er grinsend.
    Plötzlich sah er etwas abseits der Menge eine offensichtlich verlotterte Gestalt in schwarzer Cuculle, die bis auf den Boden reichte. Da sie ihm den Rücken zuwandte, konnte er nicht erkennen, wer es war. Trotzdem flößte sie ihm Angst ein, und er hatte ein unbehagliches Gefühl. Während sich der ehemalige Dieb die Augen rieb und überlegte, ob es sich um einen bösen Buben handeln könnte, war der Unheimliche seinem Gesichtsfeld entschwunden.

    *

    »Liebe Bewohner des Marktes zu Staufen!«, begann der Kastellan fast theatralisch und blickte ins Rund, bevor er richtig loslegte: »Ich halte hier in meinen Händen eine entsiegelte Depesche, die den Weg von Konstanz über Immenstadt hierher nach Staufen genommen hat. Sie wurde von unserem hochwohllöblichen Herrn, Hugo Reichsgraf zu Königsegg-Rothenfels, unserem geliebten Regenten und Herrscher über Staufen, höchstpersönlich unterzeichnet!«
    Ein Murmeln ging durch die Reihen.
    »Was kann das wohl bedeuten, wenn unser Herr höchstselbst schreibt?«
    Mit den Worten »Der Einfachheit halber lese ich die Depesche wortgetreu vor. Unterbrecht mich aber nicht!«, kam der Kastellan zum Punkt.

    »Unterthänigster unnd getreuer Verwalter meiner Güter in Stauffen. Geschätzter Dreyling von Wagrain. Hiermit geben Wir kund unnd zu wißen, dass Wir mit dem Rathe des Propstes Johanni Glatt unnd dem Landrichter Hans Zwick, sowie dem Oberamptmanne Conradus Speen, dero Vertreter er während Unserer Abwesenheit ist, beschloßen haben, daß die Beweise gegen den ruchlosen Medicus Heinrich Schwartz mehr als ausreichen, um ihn der Gerichtsbarkeit übergeben zu können …«

    Als die Staufner dies hörten, brandete tosender Jubel auf, bis der Kastellan die Hand erhob und weiterlas.
    »… der Doctori Medizinale konnte von einem durch Uns eingesetzten Untersuchungsausschuß, dero Vorsitz Unsere Vertrautheit Landrichter Hans Zwick inne gehabtet hat, vorgeführt werden, was ihm ohne peinliche Befragung eingebracht hatt, dass er sich selbst beschuldigt hatt. Es sindt zweiundsiebzig Überlebende und sechsunddreißig ander Leut befragt, deren Aussagen sich gleichen, sowie die Stätten der ruchlosen That in Augenschein genommen. Das Beweismaterial ist gesichert unnd wirdt in der gräflichen Residenz bis zum Tage deß Gerichts verwahret. Aus diesem Grunde haben Wir, Hugo Reichsgraf zu Königsegg-Rothenfels, Herr zue Stauffen deren Inhaber des Blutbanns Wir sind, das ehrenwerte Gericht auf den 23. Märtz Anno Domini 1635 bestellt. Es wirdt eine Heilige Meß gelesen, bevor man zur That schreitet. Das Gericht wird durch sechs Beisitzer aus der Residenzstadt unnd durch sechs Beisitzer aus dem Landgebiet besetzt. Die Verhandlung findet an einem geeigneten Platze in Stauffen, dem Ort des schrecklichen Geschehens darselbst, statt.«

    Wieder grölte das Volk aus lauter Freude darüber, dass es dem Medicus nun endlich an den dreckigen Kragen gehen sollte. Dazu kam noch die Freude, dass die Gerichtsverhandlung nicht nur schon bald, sondern auch noch in Staufen stattfinden würde. So könnten sie alle dem Ereignis persönlich beiwohnen.
    »Beruhigt euch!«, rief der Kastellan mehrmals. »Ich kann eure Freude ja verstehen, bitte aber dennoch um Ruhe, da das Wichtigste noch kommt!«
    »Das Geld, welches ihr oder eure verstorbenen Angehörigen dem Medicus gegeben habt, wurde fast gänzlich aufgefunden. Es fehlen nur die Gulden, die der Medicus in die ›Krone‹ getragen hat, was der Schankwirt Matheiß bestätigen kann. Ich werde euch das Geld und den Schmuck wieder zurückgeben. Dabei verlasse ich mich darauf, dass ihr mir auf den Heller genau sagt, was euch zusteht. Sollte es einer von euch – nur ein Einziger – wagen, mich und somit die Gemeinschaft der Staufner und unseren hochwohllöblichen Regenten zu betrügen, bekommt er außer einer Strafe gar nichts. Dann werde ich das gesamte Geld an die Franziskanerschwester Bonifatia weiterleiten, die von ihrem Dillinger Mutterkloster nach

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