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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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ehrenvoller als der schimpfliche Strang«, hörte man nur den ältesten der Beisitzer, der schon bei unzähligen Todesurteilen dabeigewesen war, murmeln.
    Wenn schon Köpfen nicht ging, sah der Kastellan das Aufhängen mit Umständt als die humanste aller Hinrichtungsarten an.
    Auch wenn es vielleicht sogar sein mag, dass der Tod beim Köpfen schneller eintritt als beim Erhängen, so sieht es nicht so menschenverachtend aus, dachte er bei sich.
    »Also gut …«, unterbrach der Vorsitzende und gab dem Zeremonienmeister knurrend ein Zeichen.
    »Aufstehen!«, rief dieser und wies die Trommler diskret an, ihre Rhythmusinstrumente zu rühren.
    Den Trommelwirbel hörten auch die Menschen auf der Straße, die jetzt aus Spannung und vor Neugierde schier zu platzen drohten.
    »Ich spreche Recht, dass der Verurteilte unverzüglich mit dem Strang abgestraft werde!«, verkündete der Richter knapp, aber bestimmt, während sich auch schon einer der Wachleute unauffällig auf den Balkon begab, um so laut als nötig und so leise wie möglich zur darunter versammelten Menschenmenge hinunterzurufen, dass das Urteil gesprochen war und der Medicus aufgeknüpft werden sollte. Deswegen wunderte es die Versammlung im Saal, dass das Volk ausgerechnet in dem Augenblick zu grölen begann, nachdem das Urteil verkündet worden war.
    »Und was soll zur Abschreckung des Pöbels geschehen?«, hakte der Immenstädter Papiermüller Georg Moser, dessen Papier nicht nur von der gräflichen Kanzlei in Immenstadt verwendet wurde, sondern auch bis zur Hofkammer der Grafschaft Tirol nach Innsbruck gelangte, nach. So verlangte er forsch, dass der Gefangene – wenn schon nicht gevierteilt oder geköpft – aufs Rad geflochten werden solle: »Der Carnifex soll ihn wenigstens auf ein Wagenrad binden, mit dem ihm zuvor die Arme und Beine zerschmettert werden, damit er möglichst lange unerträgliche Qualen hat, wenn er ihn schon nicht vierteilen kann«, schlug er vor, obwohl diese Tötungsart schon längst vom Tisch war. Dabei wischte er sich den fetten Schweiß von der Stirn. Damit der Pöbel, wie er das Volk abschätzig bezeichnete, auch etwas davon habe, solle das Rad so an einen Ast des höchsten Baumes mitten im Ort gehängt werden, damit es sich im Winde drehen und der Verurteilte in alle Himmelsrichtungen, in die er Leid und Elend gebracht hatte, würde blicken können, forderte er noch und zog sich dadurch endgültig den Zorn des Vorsitzenden zu, der jetzt nicht mehr mit sich reden ließ.
    »Es reicht! Das Urteil ist gesprochen! Und daran werdet auch Ihr Euch halten müssen«, bellte er unwirsch in den Saal, um keine weitere Diskussion aufkommen zu lassen.
    Da der grantige Papiermüller aber immer noch nicht locker ließ, beschloss das Gericht schlussendlich, den Verurteilten nicht nur zu hängen, sondern ihn zur Mahnung sichtbar für jedermann so lange baumeln zu lassen, bis er von selbst herunterfallen würde.
    »… und um seine Schande zu mehren und gleichzeitig als Abschreckung dienend, soll ihm kein Sack über den Kopf gezogen werden, damit ihm die Vögel die Augen aushacken können. Die Gerichtsverhandlung ist beendet! … Seid Ihr nun zufrieden?«, beendete der Richter die Diskussion mit einem strengen Blick zu Georg Moser.
    Der Papiermüller war zwar nicht zufrieden, nickte aber zustimmend.
    »Euer Gnaden. Habt Ihr nicht etwas vergessen?«, fragte das älteste Mitglied des hohen Gerichts, das sich aufgrund der miesen Stimmung des Vorsitzenden kaum noch traute, die altersbedingt leise Stimme ein zweites Mal zu erheben.
    »Ja ja, ich weiß, was Ihr meint! Aber ich denke, dass wir in diesem Fall darauf verzichten können, wie sonst immer zur Beurteilung bei schweren Fällen üblich, einen Juraprofessor aus der Universitätsstadt Tübingen kommen zu lassen. Dies hätten wir dann schon bei der ersten Anhörung tun müssen. Da die Sachlage aber von Anfang an klar und der Delinquent umfänglich geständig war, habe ich dieses Mal bewusst darauf verzichtet. Stellt Euch vor, was der uns wieder gekostet hätte. Das G’scheiterle aus Tübingen hätte uns nicht nur stundenlang zu belehren versucht, sondern auch noch die letzten Haare vom Kopf gefressen. Und weil es ihm, wie all seinen Kollegen zuvor, in unserem schönen Allgäu so gut gefallen hätte, wäre er eine Woche oder sogar noch länger geblieben. Wahrscheinlich wäre er, wie schon geschehen, sogar mit einem oder zwei weiteren Professoren oder Doktores gekommen, und sie hätten sich im Schloss

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