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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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hinten und vorne bedienen lassen. – Von wem und mit was denn? Ich kann mich noch gut erinnern, wie einer, der seinerzeit wegen des Mordfalles Leitner gekommen war, den Hufschmied bestochen hat, damit dieser bestätigt, dass sein Pferd lahmt und deswegen nicht beschlagen werden kann … und dies nur, weil der Schnösel anlässlich einer Tanzerei im Schloss ein liederliches Luder, das wir für eine ehrbare Maid gehalten haben, kennengelernt hat und deswegen noch ein Weilchen in Immenstadt hat bleiben wollen«, begründete Zwick sein ungewohntes Vorgehen.
    Von wegen ›ehrbare Maid‹, dachten sich einige, die sich noch daran erinnern konnten, dass seinerzeit nichts dem Zufall überlassen worden war, wenn ein Gerichtsurteil – meist aus politischen oder erbbedingten Gründen – hatte lanciert werden müssen und man den gescheiten Herren aus Tübingen Gunstgewerblerinnen ›zur freien Verfügung‹ gestellt hatte. Dass diese Weiber auch noch aus der Stadtschatulle entlohnt worden waren, hatte für Unmut unter denjenigen Ratsherren, die selbst gerne in den Genuss gekommen wären, geführt.
    »Gott bewahre«, besänftigte der Alte den zunehmend mürrischer werdenden Richter und zog seinen Antrag zurück, während die anderen still in sich hineinschmunzelten.
    »Nicht Gott. – Ich habe die ohnehin leere Geldschatulle des gräflichen Oberamtes vor unnützen Ausgaben bewahrt«, schnarrte Zwick zurück und wandte sich dem Protokollführer zu: »Das zuletzt Gesagte wird nicht niedergeschrieben! … Sonst noch was?«, fragte er schnippisch, während er wieder in die Runde blickte und dabei seine schmalen Lippen von einem diabolischen Lächeln umspielen ließ. »Nein? … Dann ist die Verhandlung jetzt endgültig beendet!«

    *

    Zwei Trommler postierten sich auf dem kleinen Balkon des traditionsreichen Wirtshauses ›Zur Krone‹.
    Auf dem Platz darunter wurde es schlagartig still.
    Ja, diese Urteilsverkündung musste zelebriert werden, dumpfer Trommelschlag kündigte es an.
    Endlich erschien der Gerichtsdiener auf dem Balkon, brachte sich mehr oder weniger eindrucksvoll in Position und brüllte für alle vernehmbar: »Das hohe Gericht!«
    Das zwischenzeitlich wieder aufgekommene Geschnatter verstummte erst, als nach den Beisitzern, dem Kastellan und dem Propst, der Richter den Balkon betrat.
    Gebannt starrte das Volk nach oben. Erst jetzt, ganz am Schluss, brachten zwei Soldaten den Verurteilten, der sofort mit wüsten Beschimpfungen und Flüchen empfangen wurde. Ein Soldat wollte den gesenkten Kopf des Verurteilten hochdrücken, was er aber doch nicht tat, weil der Schädel des Arztes vor der Verhandlung so unsanft kahlgeschoren worden war, dass er lauter blutende Stellen aufwies. Deswegen schlug er so fest von unten auf die Kinnlade des Todgeweihten, dass der Medicus laut aufschrie, was vom Volk mit Beifall und Gegröle bedacht wurde.
    Der andere Soldat zischte ihn an: »Sieh zu den Staufern, denen du so viel Unheil gebracht hast, hinunter!«
    Nachdem er dies gesagt hatte, zog sein Kamerad ihn zur Seite und flüsterte ihm ins Ohr, dass man die hiesige Bevölkerung nach der Ortsbezeichnung als ›Staufner‹ bezeichnete und sie nicht mit dem ehemaligen Fürstengeschlecht der ›Staufer‹ verwechselt werden sollten.
    »Ach so!«

    Als vom Balkon Silencium heruntergerufen wurde, verstand dies zwar kaum jemand, dennoch wurde es wieder still.
    Als der Richter den ›Blutstab‹ mit beiden Händen nach oben hielt, rührte sich kein Lüftchen.
    »Hiermit breche ich im Namen unseres hochverehrten Regenten, des Reichsgrafen Hugo zu Königsegg-Rothenfels, des Herrn über Staufen und Inhaber des Blutbanns, den Stab über den Verurteilten Medicus Heinrich Schwartz.«
    Es knackte. Aber es knackte nicht nur wie Holz. Der rot eingefärbte Stab knackte irgendwie anders, irgendwie beängstigend.
    Nachdem der Richter den zerbrochenen Blutstab zur ewiglichen Aufbewahrung unnd zum Beweiß bei den Gerichtsprotokollen dem Gerichtsschreiber übergeben hatte, ließ er von ihm die Begründung des Todesurteiles verlesen, was das Volk wieder in Rage brachte. Es verstummte erst, als der Henker aus dem Dunkel des Gerichtssaales trat und auf der Bildfläche erschien.
    Der Richter wandte sich ihm zu, betrachtete ihn von oben bis unten und sagte knapp: »Ich wünsche Euch Frieden!«
    Jetzt war es mit der Ruhe endgültig vorbei. Am liebsten hätte das aufgebrachte Volk auf das langweilige Procedere verzichtet und den Medicus jetzt gleich – an der

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