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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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bevor sie ihn verlassen hatte. So war es nicht verwunderlich, dass seither die Scheelsucht, die schwarze Seite des Neids, sein ganzes Denken und Handeln bestimmte, wenn er an die Juden dachte. Dieses rätselhafte Gefühl, das – einem unersättlichen Parasiten gleich – Böses zu schaffen vermochte, wenn es einen Wirt fand, in dem es sich wie die Pest einnisten konnte, hatte ihn längst zu einem vor sich hin köchelnden Vulkan, der jederzeit auszubrechen drohte, werden lassen.

    *

    In Staufen wussten alle, dass die Bombergs einer Religion angehörten, von der sie selbst kaum etwas verstanden –, aber dies störte außer Hemmo Grob fast niemanden. Im Gegenteil: Die jüdische Familie war sogar allseits beliebt und geschätzt. Die beiden Töchter hatten ganz normalen Umgang mit den anderen Kindern des Dorfes. Die Bombergs hatten gelernt, ihrem Gott Jahwe in aller Stille zu dienen, indem sie nur innerhalb ihres eigenen Hauses seinen Gesetzen folgten. Sie setzten alles daran, niemanden zu provozieren. Dementsprechend verhielten sie sich außerhalb ihres Hauses. Sie respektierten die Glaubensrichtungen der Dorfbewohner, die fast allesamt katholisch und kaum lutherisch waren. So verlief das Miteinander recht harmonisch.
    Die Bombergs hielten sich zwar eine Ziege als Milchlieferanten, da aber nach jüdischem Glauben die Milch nicht zusammen mit Fleisch genossen werden durfte, galt es für die Mitglieder der jüdischen Familie, entsprechende Regeln einzuhalten. Außerdem verlangte ihr Glaube, dass die Speisen koscher sein mussten. Darum ernährten sie sich niemals von Schweinefleisch, sondern in erster Linie von Hühnern, die sie selbst in großer Zahl hielten. Judith hatte aus der Not eine Tugend gemacht und züchtete das Federvieh, das sie zusammen mit den Eiern jeden Mittwoch auf dem Wochenmarkt verkaufte. Da Judith bei der Hühnerzucht eine glückliche Hand hatte, war es nicht verwunderlich, dass die Bombergs mehr Federvieh im Stall hatten als alle anderen Dorfbewohner. Und dies weckte nicht nur bei Hemmo Grob Begehrlichkeiten.

    »Nein Lea, Schweinefleisch dürfen wir nicht essen.«
    Ihre Tochter bestürmte sie wieder einmal mit Fragen.
    »Warum denn nicht, Mama?«
    »Weil dies in unserer Religion verboten ist«, antwortete Judith.
    Da Lea überlegen musste und nicht gleich danach fragte, warum dies verboten war, erklärte Judith ihrer Tochter lieber, was nicht verboten war: »Wir dürfen alle Tiere mit Flossen und Schuppen, die im Wasser leben, verspeisen, aber die gibt es hier nur in der Weißach.«
    Bevor Judith weiter erzählen konnte, hatte Lea schon wieder eine Frage auf den Lippen: »Ist die Weißach größer als unser Seelesgraben?«
    Die Mutter musste lachen und sagte: »Ja! Und länger.
    Da der Bach dem Grafen gehört, darf hier ohne Genehmigung nicht gefischt werden. Das Angelverbot gilt auch für den Entenpfuhl und für alle anderen Gewässer der Grafschaft«, erklärte Judith ihrer Tochter und schmunzelte. »Lediglich unsere Dorfjugend lässt sich das Schwarzfischen nicht verbieten … weil die Verlockung zu groß ist. Der beste Schwarzfischer des Dorfes ist der erst fünfzehnjährige Jockel Mühlegg«, flüsterte sie Lea geheimnisvoll ins Ohr. »Du kennst doch den Jockel, oder?«
    Lea nickte und sah ihre Mutter interessiert an.
    »Also, Lea, hör zu: Den Entenpfuhl kann man vom Schloss viel zu gut einsehen, deshalb gehen die Buben des Dorfes lieber an die Weißach, dort können sie sich im Ufergebüsch verstecken, falls Häscher des Grafen auftauchen sollten. Erwischen lassen dürfen sie sich beim Schwarzfischen allerdings nicht. Deshalb stehen immer ein paar der Lausbuben Schmiere und ahmen bei Gefahr den Ruf des Eichelhähers nach. Da man in der Residenz längst gemerkt hat, dass der Fischreichtum der Weißach wundersam dahinschwindet, hat der Graf entlang des Baches Schilder aufstellen lassen, worauf zur Abschreckung abgehackte Hände gemalt worden sind.«
    Lea war entsetzt und hielt sich die Hand vor den Mund. Bevor sie fragen konnte, von wem ihre Mutter das alles wusste, erzählte diese weiter, dass der Graf zum Oberamtmann gesagt habe »Wenn eß nit hülfet, richts kain Schadt an« , als er die Schilder in Auftrag gab.
    Lea war nachdenklich geworden. Plötzlich schüttelte sie den Kopf und sagte: »Ich möchte keinen Fisch mehr essen, wenn mir deswegen die Hand abgehackt wird.«
    Ängstlich drückte sie sich an ihre Mutter, die ihren Arm um sie legte. »Keine Sorge, mein Schatz. Du stiehlst ja

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