Die Pestspur
Leuten aus Immenstadt kein so guter Gedanke«, wischte der Blaufärber Jakobs Vorschlag vom Tisch.
»Was meint Ihr damit?«
»Ja wisst Ihr denn nicht, dass in dem Getümmel auf dem Markt ein Wachsoldat des Grafen zu Tode gekommen ist?«
Da Jakob überhaupt nicht auf dem Markt gewesen war und Judith ihre Sachen umgehend zusammengepackt hatte, noch bevor der Ärger so richtig losgegangen war, hatten sie zwar den allgemeinen Tumult, vom Tod des Immenstädters jedoch nichts mitbekommen.
»Das ist zwar schrecklich! Aber wir gehen trotzdem zum Kastellan«, bestimmte Jakob, der diesen sehr schätzte, und umgekehrt wusste, dass dieser ihm gewogen war.
Vor dem Schlosstor angekommen, baten sie Siegbert, der gerade den Wachdienst übernommen hatte, ihnen Einlass zu gewähren, damit sie mit dem Kastellan sprechen konnten.
»Der Herr ist nicht da!«
»Können wir dann Eure Herrin sprechen, damit sie ihm etwas ausrichtet?«
Da Siegbert die drei kannte, versperrte er ihnen den Weg durch das Tor nicht. Er wusste, dass von den Juden keine Gefahr für das Schloss oder die Familie seines Herrn drohte und der Blaufärber ein braver Mann war.
Sie trafen Konstanze gerade an, als sie aus dem Schlossbrunnen einen Eimer Wasser hochzog. Nachdem sie ihr alles erzählt hatten, zitierte die Kastellanin Rudolph herbei. Der kam sofort, schaute aber grimmig drein, weil er gerade wachfrei hatte. Damit seine Herrin nicht doch noch auf dumme Gedanken kam, drehte er schnell um und rannte zu seinem Lager zurück, um eine Kappe zu holen, die er sich ganz über den Kopf zog, bevor er ihr gegenüber trat.
Da Konstanze ahnte, warum Rudolph sein Haupt vor ihr verbarg, musste sie schmunzeln, bevor sie in ernstem Ton sagte: »Rudolph, es tut mir leid, dass ich deine Pause unterbrechen muss. Aber es geht um Leben und Tod. Ich muss sofort weg. Achte bitte auf Diederich und lass ihn ja nicht aus den Augen, bis ich zurück bin. Mein Mann und Lodewig müssten eigentlich heute Nachmittag wieder hier sein. Sag ihnen, dass ich im Dorf unten bin und bei Dunkelheit wieder zurückkomme.« Mit einem »Gott befohlen«, wandte sie sich ab und eilte mit den anderen zum Schlosstor, an dem Siegbert bereit stand, um es wieder öffnen zu können.
Kapitel 10
Wenige Schritte vom Marktplatz entfernt stand ein schmuckes Häuschen. Direkt davor befand sich Conrad Föhrs Bäckerei, und gleich dahinter lag der Seelesgraben – ein still vor sich hin gurgelnder Bach, den die Staufner gerne als ihre Lebensader bezeichneten.
Hier lebten Jakob und Judith Bomberg mit ihren Töchtern Sarah und Lea. Jakob entstammte einer alten Antwerper Buchdruckerfamilie. Er war ein knorriger Mann. Einer seiner Vorfahren hatte 1517 die erste Rabbinerbibel gedruckt, die nicht nur den hebräischen Text, sondern auch den Targum enthielt. Jakob war ursprünglich Schriftgießer gewesen, hatte die ›Schwarze Kunst‹ aber aufgeben müssen, als die zunehmenden Anfeindungen die Familie zwangen, Antwerpen zu verlassen. So hatte er sich zunächst als Tagelöhner verdingt und war später ein Händler geworden, der mit allem schacherte, was Gewinn versprach. Ihnen war immer wieder anheim gestellt worden, zum katholischen Glauben überzutreten. Da sie aber tiefgläubige Juden waren, hatten sie dies trotz der zweifellosen Vorteile nie ernsthaft in Betracht gezogen, obwohl manchmal der Gedanke aufgekommen war, die beiden Töchter Sarah und Lea zum katholischen Glauben konvertieren zu lassen, damit wenigstens sie Aussicht auf ein sorgenfreieres Leben haben würden. Nach einer jahrelangen Odyssee durch belgisches und flandrisches Gebiet bis zur Kaiserstadt Aachen und in andere schöne Städte des Rheinlandes, wo sie gerne geblieben wären, hatte es die jüdische Familie nach Süddeutschland und letztendlich ins Allgäu verschlagen, wo sie nun seit vielen Jahren lebte. Hier hatten die Bombergs eine neue Heimat gefunden und in Staufen hatten sie sich eingelebt. Wie sie an ihr schmuckes Anwesen gekommen waren, wusste allerdings niemand so ganz genau, da der ehemalige Besitzer noch am Tag des Verkaufs an die Bombergs von Staufen weggegangen war. Der örtliche Schuhmacher Hemmo Grob hatte es trotz großer Bemühungen nicht geschafft, mit dem damaligen Besitzer des zwangsversteigerten Anwesens einig zu werden. Das ärgerte ihn über die Maßen. Was ihn aber erst so richtig wütend machte, war die Tatsache, dass jetzt dahergelaufene Juden in dem Haus lebten, in dem er selbst mit seiner Frau hatte wohnen wollen,
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