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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Fäusten auf den Boden trommelte.

    *

    Die Frau des Blaufärbers und Otward, der ältere ihrer beiden Söhne, hatten die ganze Nacht über mit Laternen die Gegend abgesucht – zuerst um das Färberhaus herum, dann in größerem Radius. Dabei waren sie sogar in Richtung Weißach gegangen und in die Nähe der Höhle gekommen, waren aber kurz vorher umgekehrt, da sie nicht glaubten, dass der kleine Bub so weit gegangen sein konnte. Immerhin hatten sie gleich, nachdem die Leintücher aufgehängt waren, gemerkt, dass der Junge verschwunden war und sich unverzüglich auf die Suche nach ihm begeben. Weit hatte er nicht sein können. Die ganze Nacht hatten sie fortwährend den Namen ihres Jüngsten gerufen: »Didrik! Didrik! … Wo bist du? … Melde dich doch!« Aber der Knabe hatte nicht geantwortet.
    Während seine Frau und sein Sohn jetzt die Gegend absuchten, klopfte der Vater an fast jedem Haus des Marktfleckens an und fragte nach seinem Sohn. Aber niemand wusste etwas über den Verbleib des Kindes.
    »Was willst du denn in aller Herrgottsfrühe?«, wurde er immer wieder gefragt, bevor man ihm die Tür vor der Nase zuschlug.
    Da die Menschen erst seit gestern Kunde davon hatten, die Pest würde in der Umgebung Staufens grassieren, und sich seither hektisch darum kümmerten, sich der gefürchteten Seuche zu widersetzen, falls diese ihre Behausung heimsuchen sollte, konnte die Zeit, um Helfer für die Suche zu rekrutieren, nicht ungünstiger sein. So bemühte sich der Blaufärber vergeblich, einen Suchtrupp zusammenzustellen.
    Melchior Henne wäre der Einzige gewesen, der selbstlos geholfen hätte. Aber der Leineweber befand sich zu der Zeit, als der Blaufärber an die Tür seines Elternhauses klopfte, auf dem Weg nach Tettnang, um Ware auszuliefern. Bei dieser Gelegenheit wollte der geschäftstüchtige Junghandwerker dafür sorgen, dass er nicht unbeladen nach Hause fahren würde. Wie immer wollte er im Auftrag der Simmerberger Brauerei Tettnanger Hopfen einkaufen und beim ihm bestens bekannten Braumeister Franz gegen ein angemessenes ›Frachtgeld‹ abliefern.
    So war der verzweifelte Blaufärber bei seiner Suche ganz auf sich gestellt. Niemand fand sich bereit, sein Haus zu verlassen, um sich womöglich der Gefahr auszusetzen, von der Sense des unheimlichen Mähmannes erfasst zu werden. Aus dieser Angst heraus wurden sogar familiäre Bande in Frage gestellt, noch bevor sich der Odem der Pest seinen tödlichen Weg durch Staufen bahnte. Dies musste Hannß Opser jetzt am eigenen Leib spüren. Denn nicht einmal seine eigenen Verwandten standen zu ihm und halfen mit, den vermissten Didrik zu suchen. Jeder hatte eine andere Ausrede, selbst sein Bruder: »Es tut mir leid, Hannß. Aber wir haben jetzt Wichtigeres zu tun. Wir müssen unsere Hütte abdichten. Du weißt ja …«
    »Ich weiß, Tobias, die Pest. Dennoch kannst du mich jetzt nicht im Stich lassen und musst mir helfen, Didrik zu suchen, du bist doch sein Döttle «, appellierte der Blaufärber an seinen jüngeren Bruder und versuchte dabei, dessen Hand zu nehmen. Aber Tobias zog sie zurück und schaute Hannß um Verständnis bittend an.
    Als seine Frau Agath merkte, dass ihr Mann zögerte und sich womöglich doch noch breit schlagen ließ, drückte sie ihn rüde beiseite und trat an seiner statt unter den Türrahmen. »Auch wenn dein Sohn das Patenkind meines Mannes ist, haben wir jetzt anderes zu tun«, maulte die Schwägerin des Blaufärbers und knallte die Tür zu.
    Vor Wut kochend und über die Maßen enttäuscht, zog Hannß Opser ab und versuchte sein Glück woanders. Aber er erhielt durchwegs Absagen.

    *

    Eigentlich wollte er schon gar nicht mehr an die Tür der jüdischen Familie des Jakob Bomberg klopfen.
    »Warum sollten mir gerade Andersgläubige helfen, die zudem nicht einmal von hier sind?«, dachte er laut, hämmerte aber doch an die Tür, die sich gleich darauf öffnete.
    Unter dem Türrahmen stand die Hausherrin und machte einen etwas verdutzten Eindruck. »Guten Morgen, Herr Opser! Schon so früh unterwegs?«, empfing ihn Judith, die vermutete, dass sein ungewöhnlich früher Besuch etwas mit den Ereignissen auf dem Markt zu tun haben könnte. Da sie sah, dass der Besucher völlig erschöpft war, bat sie ihn mit einem freundlichen Lächeln herein. »Setzt Euch. Ich habe gerade die Ziege gemolken«, sagte sie mit leiser Stimme und stellte ihm einen Becher mit der noch warmen Milch hin.
    Nachdem der Blaufärber einen Schluck genommen hatte,

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