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Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Belagerungsgerät halbkreisförmig außen vor dem Tor gebildet wurde. Schnell und sicher richteten sie die Schutzdächer über der schweren Ramme auf. Zerbeulte Schilde waren mit Balken darauf befestigt worden. Dahinter spannten die Krieger die Seile der löffelförmigen Schleudermaschinen. Ein Turm aus schräg zulaufenden Balkenbündeln rollte auf kreischenden Scheibenrädern heran, von Tieren und Männern gezogen.
    Noch befanden sich alle Angreifer jenseits der Entfernung, in der ein guter Bogenschütze etwas treffen konnte.
    »Das Warten ist es, was mich unruhig macht«, stellte Nottr fest und nahm seinen Bogen von der Schulter.
    Mythor und Elivara schwiegen und starrten die Übermacht des Feindes an. Kurz vor dem Tor, aber in sicherer Entfernung, blieben die Werfer stehen. Die Schleuderarme waren weit zurückgespannt worden. Die Caer schleppten scharfkantige Steine heran und luden sie in die tiefen Mulden. Alle Arbeiten gingen in großer Schnelligkeit vonstatten.
    Fast gleichzeitig schlugen die Mannschaften die Bolzen aus den Halterungen. Die Schleudern wurden nach vorn gerissen und schlugen mit dumpfem Krachen an. Die Steine wurden hochgewirbelt, schossen auf die Mauer zu und darüber hinweg, beschrieben steile Bahnen in der Luft und prasselten herunter. Sie zerplatzten an der glatten Fläche der Mauer, rissen Splitter aus den Zinnen, trafen einige Verteidiger und schleuderten die aufschreienden Männer mit gebrochenen Knochen hinunter. Große Steine und Felsbrocken schlugen durch Dächer, durchbrachen die Mauern der nächststehenden Häuser und polterten auf die Gasse und den Torplatz.
    Im gleichen Augenblick sprangen Hunderte Caer auf die Ramme zu, packten Seile und Balken und schoben sie in einem einzigen wilden Schwung bis an das Tor. Von der Mauer aus war der Zustand der Bohlen und Angeln nicht zu erkennen, aber die Königin wusste, wie wenig sicher die Riegel und Befestigungen innen waren.
    Sie gab nach rechts und links Zeichen, aber die Männer hatten ihre Absicht bereits erkannt.
    Nach dem Schrecken über den Steinhagel, den sie rasch überwunden hatten, wehrten sie sich. Wieder kippte man Öl über die Mauerkante. Das Öl war seit der Nacht kochend gehalten worden, traf auf die Schutzdächer der Ramme und spritzte rauchend zur Seite. Einige Caer schrien auf und stolperten verbrannt zurück. Sofort sandten die Bogenschützen kleine Schwärme von Pfeilen zwischen den Zinnen heraus nach unten. Gleichzeitig heulten die Brandpfeile abwärts und blieben mit krachenden Geräuschen in dem ölgetränkten Dach stecken.
    Der erste Schlag der Ramme ließ beide Torflügel erbeben. Das donnernde Geräusch war auch für die Caer ein Signal.
    Gleichzeitig mit dem zweiten, viel wuchtigeren Schlag schnellten wieder die Wurfgeschütze nach vorn. Der nächste Hagel aus kantigen Felsbrocken traf keinen der Verteidiger, aber Teile der Mauerkrone splitterten ab, weitere Dächerteile und Hauswände wurden zerstört, und einige Männer, die auf dem Platz warteten, wurden getroffen.
    Unerreichbar für die Pfeile und Speere blieb O'Marn auf seinem Braunen sitzen. Er erteilte kurze Befehle, die Boten rannten und ritten in alle Richtungen. Die Priester in ihren silberfunkelnden schwarzen Mänteln standen regungslos da, und über ihrer Gesichtshaut, die wie eine gläserne Schicht war, trugen sie die rotsilbernen Masken. Einer der Männer war schlank und schien jünger zu sein; der ältere Caer-Priester war nicht viel kleiner, aber von größerer Körperfülle.
    »Sie sind vorsichtig!« bemerkte Elivara sorgenvoll.
    Am hintersten Rand der Ansammlung von Kriegern warteten die Mauerstürmer mit ihren langen Leitern. Die Leitern, soviel sah man von hier aus, trugen an ihren oberen Sprossen zwei lockere, zusätzliche Holme, an denen schwere Steine hingen. Auf diese Weise wurde vermieden, dass die Leitern, wenn sie einmal festgehakt waren, leicht zurückgestoßen oder umgeworfen werden konnten.
    »Aber sie werden sich, wann auch immer, in die Reichweite unserer Waffen wagen müssen.«
    »Ich hoffe«, sagte Mythor unruhig zu Elivara, »dass es dann für uns nicht zu spät sein wird.«
    Die Schläge der Ramme hörten nicht auf. Ihr Rhythmus diktierte den Angriff. Bei jedem Stoß wurden das Knistern und Krachen splitternden Holzes und das Knirschen der sich lockernden Angeln lauter. An vier Stellen brannte der Schutz über der Ramme, und als die Verteidiger Steine darauf fallen ließen, zertrümmerten sie das Holz, zerrissen die Schilde,

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