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Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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der umliegenden Länder. Jetzt wirbelte sie mit einer Schnelligkeit herum, die er ihr nicht zugetraut hätte. »Du bist selbst glum!« keifte sie. »Wovon redest du?«
    Er hob die Hand und trat einen weiteren Schritt auf sie zu. Wenn sie ihn auch nur ein bisschen kannte, musste sie aus seinem Gesicht ablesen können, wie ernst es ihm war und welcher Zorn in ihm tobte.
    »Ich rede davon, dass du den Mann, der dich und mich gerettet hat, verraten willst. Und das ausgerechnet an Carbell, der meiner Meinung nach von den Caer-Priestern in magische Fesseln geschlagen wurde. Ausgerechnet du, alte Vettel. Wir haben uns alle in dir geirrt.«
    Jetzt begriff sie, dass er nicht scherzte. Sie kam auf ihn zu, schielte ihn unter ihrem Umhang hervor an und spreizte ihm die dürren Krallenfinger entgegen. »Was redest du, Steinmann Sadagar? Wer hat Lügen über mich erzählt? Dieses dürre, fleischlose Geschöpf Kalathee, nicht wahr? Und ich muss mir deine Beschimpfungen nicht gefallen lassen, ich, die Übersetzerin der wichtigsten Bücher, die es diesseits der Schattenwelt gibt.«
    »Du bist am Ende, Frau«, sagte er schwer. »Ich war in dem Magazin, ich sah Fürst-Richter Carbell, den inzwischen die Leibwache hetzt, und ich verstand jedes Wort. Mythor wolltest du in einen Hinterhalt locken, nur weil du das Schwert in deine gichtigen Krallen bekommen willst. Ich habe Mythor und Königin Elivara davon berichtet.«
    Ihre Hand fuhr unter ihre raschelnden Umhänge. Sadagar rechnete fest damit, dass sie ein Runenfragment oder ein verwünschtes Pergament hervorziehen und ihn verhexen würde. Oder wenigstens versuchen würde, ihn mit Magie zu blenden.
    »Die Runenbotschaft der Königstrolle ist alles wert, was ein Mensch besitzt!« schrie sie krächzend. Ihr Gesicht, alt und voller Runzeln, verzerrte sich zu einer Grimasse, die der Steinmann noch niemals bei ihr oder einer anderen Person gesehen hatte.
    »Mag sein. Aber Verrat gehört nicht dazu!« widersprach er.
    Fahrna sprang hoch und riss die Hand unter ihrem Gewand hervor. Zwischen ihren Fingern befand sich ein Gegenstand, der halb unterarmlang war, spitz und voller glänzender Bänder.
    »Ich musste es tun, verstehst du!« kreischte Fahrna. »Nein, du verstehst es nicht. Du mit deinem beschränkten Verstand und deinem unsichtbaren Kleinen Nadomir. Hier, siehst du?« Sie hob den Arm, als wolle sie die Waffe nach ihm werfen.
    Sadagar sprang zur Seite und wich aus. In einem Reflex zog er eines seiner Messer und schleuderte es, ohne zu denken und ohne zu zielen. Das Wurfmesser zischte durch die Luft, überschlug sich einmal und funkelte dabei im Sonnenlicht auf, dann bohrte es sich in die Kehle der Runenkundigen. Fahrnas Finger lösten sich von der anderen Waffe, die klappernd über den Boden rollte. Fahrna sank zusammen, machte einige Schritte und taumelte rückwärts auf die Barriere zu.
    »Du hast es nicht anders gewollt«, fauchte Sadagar und sprang vorwärts. Zu spät! Die alte Frau schlug mit dem Rücken gegen die steinerne Kante und kippte nach außen.
    Als Sadagar die Barriere erreichte, sah er den Körper, der sich überschlug und drehte. Einen Herzschlag später erreichte ihn das Geräusch des Aufpralls.
    Als der Steinmann, dessen Wut der Bestürzung Platz gemacht hatte, über das Dach zur Treppe zurückging, bückte er sich und hob die vermeintliche Waffe auf. Es war ein trockenes, leichtes Knochenstück, in das Runen eingeritzt waren und das mit schmalen Messingbändern umwickelt war. Er betrachtete schweigend dieses Stück, dann warf er es über die Schulter und ging zur Treppe.
    Als Steinmann Sadagar den Platz vor dem Schloss erreichte, hatte sich um die Leiche ein dichter Kreis ratloser Stadtbewohner gebildet. Er zog sein Wurfmesser aus dem Hals Fahrnas, wischte es an ihrem Umhang ab und steckte es zurück.
    Zu den Nyrngorern sagte er scheinbar ruhig: »Sie hat ihre gerechte Strafe erhalten. Bringt sie weg! Sie verriet Königin Elivara und meinen Freund Mythor auf das schändlichste.«
    Dann ging er zurück, um auf Mythor und Elivara zu warten.
    *
    Sie hatten ihre Rundfahrt fast beendet. Mit einer gewissen Bewunderung hatte Mythor festgestellt, dass die Stadtbewohner inzwischen fast ausnahmslos zu entschlossenen Verteidigern geworden waren. Die Zone entlang den Mauern, vor den Toren und rund um die sechs Türme war bestens ausgerüstet.
    Jeder Angriff hatte die Nyrngorer eine neue Art der Verteidigung gelehrt. Gegen Brände hielten sie Fässer mit Wasser bereit, das Öl

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