Die Pfeiler der Macht
Vormittag schon geschehen! Ohne Umwege begab er sich zum Direktionszimmer, in dem er Samuel, Joseph und Edward vorfand. Er gab Samuel Tonios Artikel; dieser las ihn und reichte ihn dann an Edward weiter. Edward bekam einen Tobsuchtsanfall und war nicht imstande, das Manuskript auch nur zu Ende zu lesen. Puterrot im Gesicht, wies er mit dem Finger auf Hugh und schrie: »Das hast du doch mit deinem alten Schulfreund zusammen ausgeheckt! Du versuchst, unser gesamtes Südamerikageschäft zu ruinieren. Dahinter steckt nichts anderes als Eifersucht, weil man dich nicht zum Teilhaber gemacht hat!«
Hugh verstand Edwards Hysterie. Der Südamerikahandel war sein einziger nennenswerter Beitrag zum Bankgeschäft. Ohne ihn war er nutzlos. Hugh seufzte. »Du warst schon in der Schule schwer von Begriff und bist es auch heute noch«, sagte er. »Die Frage, um die es hier geht, ist ganz einfach die, ob die Bank dafür verantwortlich sein will, daß Papa Miranda immer mehr Macht und Einfluß gewinnt - ein Mann wohlgemerkt, der offenbar ohne die geringsten Skrupel Frauen auspeitschen und Kinder ermorden läßt.«
»Das glaube ich nicht!« sagte Edward. »Die Silvas sind Feinde der Mirandas. Das ist nichts weiter als böswillige Propaganda.«
»Ja, das wird zumindest dein Freund Micky sagen, davon bin ich überzeugt. Ob es stimmt, ist eine andere Frage.« Onkel Joseph musterte Hugh voller Argwohn. »Erst vor ein paar Stunden hast du hier in diesem Zimmer versucht, mir dieses Projekt auszureden. Ich muß mich in der Tat fragen, ob hier nicht ein Komplott vorliegt, mit dem Edwards erster großer Geschäftsabschluß als Teilhaber untergraben werden soll.« Hugh erhob sich. »Wenn du meine Aufrichtigkeit in Zweifel ziehen willst, gehe ich sofort.«
Onkel Samuel mischte sich ein. »Setz dich, Hugh!« sagte er. »Ob diese Geschichte nun stimmt oder nicht, ist für uns gar nicht so interessant. Wir sind Bankiers, keine Richter. Die Tatsache, daß die Santamaria-Bahn umstritten ist, erhöht allerdings das Risiko der Anleihenemission. Wir werden uns also noch einmal damit befassen müssen.«
»Ich lasse mich nicht unter Druck setzen!« sagte Onkel Joseph aggressiv. »Dieser südamerikanische Schwätzer soll seinen Artikel ruhig veröffentlichen und sich danach zum Teufel scheren.«
»Ja, das wäre eine Möglichkeit«, erwiderte Samuel nachdenklich. Er nahm Josephs Streitlust ernster, als sie es verdiente. »Wir können einfach abwarten und zusehen, inwieweit sich der Artikel auf den Kurs bereits vorhandener südamerikanischer Wertpapiere auswirkt. Viele gibt es ja ohnehin nicht, aber als Indikatoren reichen sie allemal. Bricht ihr Kurs ein, sagen wir nein zur Santamaria-Bahn. Hält er sich, bleiben wir bei der Stange.« Joseph hatte sich ein wenig beruhigt. »Ich habe nichts dagegen, die Entscheidung dem Markt zu überlassen«, sagte er.
»Wir müssen jedoch auch noch eine andere Option in Erwägung ziehen«, fuhr Samuel fort. »Wir könnten eine andere Bank zu einer gemeinsamen Anleihenemission überreden. In diesem Fall wäre die negative öffentliche Meinung nicht so gravierend, weil sie sich auf zwei Ziele verteilen würde.«
Das hat einiges für sich, dachte Hugh, obwohl er selbst diesen Vorschlag nicht unterstützt, sondern sich für eine ersatzlose Streichung der Anleihenemission ausgesprochen hätte. Immerhin minimalisierte Samuels Strategie das Risiko, und um nichts anderes ging es im Bankwesen. Samuel war ein wesentlich besserer Bankier als Joseph.
»In Ordnung!« verkündete Joseph mit der ihm eigenen Spontaneität. »Edward, sieh zu, ob du einen Partner für uns auftreiben kannst!«
»An wen könnte ich mich denn wenden?« fragte Edward mit sichtlichem Unbehagen. Hugh erkannte, daß sein Vetter keine Ahnung hatte, wie man mit einem solchen Auftrag umging. Es war Samuel, der Edward antwortete: »Es handelt sich um eine sehr umfangreiche Emission. Wenn ich's recht bedenke, gibt es nicht sehr viele Banken, die bereit wären, sich in Südamerika so stark zu engagieren. Du solltest es bei den Greenbournes probieren. Groß genug sind sie ja - und von daher vielleicht die einzigen, die sich auf ein solches Risiko einlassen. Du kennst doch Solly Greenbourne, nicht wahr?«
»Ja. Ich werd' mich mit ihm in Verbindung setzen.« Soll ich Solly raten, Edwards Angebot abzulehnen? fragte sich Hugh und gab sich die Antwort gleich selbst: Nein, sie stellen mich als Nordamerika- Experten ein. Es wäre grundverkehrt, mit einem klugen
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