Die Pfeiler der Macht
es.« Mit einer raschen, vogelartigen Bewegung zog Hobbes einen Zettel aus der Innentasche seines Jacketts. »Ich habe mir die Freiheit genommen, den Kauf der erwähnten Druckerpresse inzwischen abzuschließen. Die Rechnung ...«
»Kommen Sie damit morgen in die Bank!« unterbrach ihn Augusta unwirsch und ignorierte das dargebotene Papier. Es gelang ihr nie, Hobbes über einen längeren Zeitraum hinweg mit der gebotenen Höflichkeit zu behandeln, selbst wenn er ihr wieder einmal einen guten Dienst erwiesen hatte. Irgend etwas an seinem Benehmen reizte sie bis aufs Blut. Sie riß sich zusammen und sagte in freundlicherem Ton: »Mein Gatte wird Ihnen einen Scheck geben.«
Hobbes verbeugte sich. »Wenn dem so ist, dann darf ich mich jetzt verabschieden.«
Kaum war er fort, seufzte Augusta erleichtert auf. Dieser Artikel würde ihnen einen Schlag versetzen! Maisie Greenbourne bildete sich ein, die führende Dame der Londoner Gesellschaft zu sein. Sollte sie doch die ganze Nacht lang mit dem Thronfolger tanzen - der Macht der Presse hatte auch sie nichts entgegenzusetzen. Die Greenbournes würden lange brauchen, um sich von dieser Attacke zu erholen - und bis dahin saß Joseph längst im Oberhaus.
Augusta ging es jetzt wieder merklich besser. Sie setzte sich in einen Sessel und las den Artikel noch einmal von vorn.
Als Hugh am Morgen nach dem Ball erwachte, hätte er die ganze Welt umarmen können. Seine Frau war in die höchsten gesellschaftlichen Kreise des Landes aufgenommen worden, und seinem eigenen Aufstieg zum Teilhaber im Bankhaus Pilaster stand nichts mehr im Wege. Die Teilhaberschaft eröffnete ihm die Möglichkeit, im Laufe der Jahre nicht nur Tausende, sondern Hunderttausende zu verdienen. Eines Tages würde er ein reicher Mann sein.
Solly wird natürlich enttäuscht sein, weil ich nun doch nicht für ihn arbeiten werde, dachte er. Aber mit Solly kann man reden, er ist nicht nachtragend. Er wird Verständnis für meine Entscheidung haben ...
Hugh zog sich einen Morgenmantel über, entnahm der Schublade seines Nachtschränkchens eine in Geschenkpapier gewickelte
Schmuckschatulle und ließ sie in die Tasche gleiten. Dann begab er sich nach nebenan, ins Schlafzimmer seiner Frau. Nora hatte ein großes Zimmer, in dem er sich nichtsdestoweniger immer ein wenig beengt fühlte. Die Fenster, die Spiegel und das Bett waren mit gemusterter Seide überzogen, den Boden bedeckten Teppiche und Läufer in mehreren Lagen, auf den Stühlen stapelten sich bestickte Kissen, und alle Tische und Simse waren randvoll mit gerahmten Bildern, Porzellanpüppchen und -döschen und anderem Schnickschnack. Noras Lieblingsfarben Rosa und Blau dominierten, doch gab es auch sonst kaum eine Farbnuance, die nicht irgendwo in den Tapeten, Bettbezügen, Vorhängen und Polstern vertreten gewesen wäre.
Umgeben von Spitzenkissen, saß Nora aufrecht im Bett und nippte an einer Tasse Tee. Hugh setzte sich auf den Bettrand und sagte: »Du warst wunderbar gestern abend.«
»Ich habe es ihnen allen gezeigt«, antwortete Nora, sichtlich zufrieden mit sich selbst. »Ich habe mit dem Thronfolger getanzt.«
»Dem fielen die Augen fast in deinen Ausschnitt«, sagte Hugh und streichelte ihre Brüste durch die Seide ihres hochgeschlossenen Nachthemds. Gereizt schob sie seine Hand beiseite. »Nicht jetzt, Hugh!«
Er fühlte sich verletzt. »Warum nicht?«
»Das ist schon das zweite Mal in dieser Woche.«
»Am Anfang unserer Ehe haben wir es andauernd getan.«
»Genau, am Anfang unserer Ehe. Man kann aber von einem Mädchen nicht erwarten, daß es bis in alle Ewigkeit jeden Tag dazu bereit ist.«
Hugh runzelte die Stirn. Was ihn betraf, so hätte er nicht das geringste dagegen einzuwenden gehabt, es bis in alle Ewigkeit jeden Tag zu tun. Wozu sonst war die Ehe da? Er gestand sich jedoch ein, daß er nicht wußte, was »normal« war und was nicht. Vielleicht war er überaktiv.
»Wie oft sollten wir es denn deiner Meinung nach tun?« fragte er unsicher.
Es schien sie zu freuen, daß er diese Frage gestellt hatte - fast, als hätte sie nur auf eine Gelegenheit gewartet, endlich zu einer klaren Abmachung zu kommen. »Nicht mehr als einmal in der Woche!«
sagte sie unmißverständlich.
»Ist das dein Ernst?« Seine Hochstimmung wich unvermittelt tiefer Niedergeschlagenheit. Eine Woche kam ihm auf einmal furchtbar lang vor. Er streichelte ihre Oberschenkel durch die Bettdecke hindurch. »Ein wenig öfter wäre vielleicht auch nicht
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