Die Pfeiler der Macht
Walzers zu ihm. »Allerdings hoffe ich, daß sie Sie nicht echauffiert.«
Er zog sie an sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Sie machen mich sehr neugierig, Mrs. Greenbourne. Lassen Sie hören!«
»Es dreht sich um jenen Zwischenfall auf dem Ball der Herzogin von Tenbigh.«
Sie spürte, wie er sich versteifte. »Ach ja. Das war ein wenig peinlich, muß ich gestehen.« Er senkte die Stimme. »Als dieses Mädchen de Tokoly einen dreckigen alten Wüstling schimpfte, dachte ich im ersten Moment, sie meinte mich ...« Maisie lachte fröhlich auf, als wäre diese Vorstellung völlig absurd. In Wirklichkeit wußte sie genau, daß es vielen Anwesenden genauso gegangen war.
»Doch erzählen Sie«, fuhr der Kronprinz fort, »steckte hinter dem Vorfall etwa mehr, als der Augenschein verriet?«
»Offenbar. Man hatte de Tokoly zuvor den bewußt falschen Tip gegeben, die junge Frau sei - wie soll ich sagen? -, die junge Frau sei ansprechbar ...«
»Ansprechbar!« Der Thronfolger kicherte anzüglich. »Das muß ich mir merken!«
»... während man ihr eingeredet hatte, de Tokoly eine Ohrfeige zu verpassen, sobald er sich auch nur die geringste Freiheit herausnähme.«
»... weshalb es fast zwangsläufig zu der Szene kam? Raffiniert! Und wer steckte dahinter?«
Maisie zögerte. Bisher hatte sie ihre Freundschaft mit dem Prinzen von Wales noch nie dazu benutzt, jemanden schlechtzumachen. Aber so böswillig und durchtrieben, wie Augusta nun einmal war, hatte sie nichts anderes verdient. »Ist Ihnen der Name Augusta Pilaster ein Begriff?«
»O ja. Der Familiendrache der anderen Bankiersdynastie ...«
»Genau. Die junge Dame - Nora - ist die Ehefrau von Augusta Pilasters Neffen Hugh. Augusta haßt ihn. Sie hat den Vorfall inszeniert, um ihm eins auszuwischen.«
»Was für eine giftige Natter! In meiner Gegenwart sollte sie sich dergleichen Darbietungen freilich verkneifen. Ich würde ihr am liebsten eine Lehre erteilen.«
Auf diese Reaktion hatte Maisie hingearbeitet. »Sie brauchen nichts weiter zu tun, als Nora mit Ihrer Aufmerksamkeit zu beglücken«, sagte sie. »Dann ist für jedermann klar, daß Sie ihr verziehen haben.« Maisie war so aufgeregt, daß sie den Atem anhielt.
»Und Augusta sollte ich demonstrativ ignorieren, ja ... Ja, ich glaube, das werde ich tun.«
Der Tanz war vorüber. »Darf ich Ihnen Nora vorstellen?« Fragte Maisie. »Sie ist heute abend hier.«
Der Kronprinz sah sie kritisch an. »Haben Sie das alles etwa ... inszeniert, Sie kleines Luder?«
Diese Frage hatte Maisie gefürchtet. Er war kein Dummkopf und konnte sich leicht zusammenreimen, was hier gespielt wurde. Leugnen war sinnlos. Maisie schlug die Augen nieder und tat ihr Bestes, um schamvoll zu erröten. »Sie haben mich durchschaut ... Was bin ich doch für eine Idiotin. Habe ich mir doch wirklich eingebildet, Ihren Adleraugen ein X für ein U vormachen zu können!« Sie blickte auf und sah ihm frank und frei in die Augen.
»Welche Buße erlegen Sie mir auf?«
Ein laszives Lächeln überflog seine Miene. »Und führe mich nicht in Versuchung ... Vergessen Sie's, ich nehm's Ihnen nicht übel.«
Maisie atmete erleichtert auf. Sie war noch einmal davongekommen. Nun lag es an Nora, den Kronprinzen zu becircen.
»Und wo steckt diese Nora?« fragte er.
Sie hielt sich, wie verabredet, in der Nähe bereit und war sofort zur Stelle, als Maisie ihr einen auffordernden Blick zuwarf. »Königliche Hoheit, darf ich Ihnen Mrs. Hugh Pilaster vorstellen?« sagte Maisie.
Nora machte einen Knicks und senkte die Lider. Der Blick des Kronprinzen fiel auf nackte Schultern und einen prallen Busen.
»Charmant!« Bemerkte er voller Begeisterung. »Wirklich charmant!«
Ebenso verblüfft wie erfreut, nahm Hugh zur Kenntnis, daß seine Frau munter mit dem Thronfolger plauderte. Gestern noch war sie gesellschaftlich geächtet gewesen - der lebende Beweis für das Sprichwort, daß man aus einem Schweinsohr keinen seidenen Geldbeutel machen kann. Ihretwegen war der Bank ein großer Auftrag entgangen und Hughs Karriere abrupt beendet worden. Doch jetzt auf einmal erregte Nora den Neid aller Frauen im Saal: Ihre Kleidung war vollkommen, ihre Umgangsformen ließen nichts zu wünschen übrig, und sie flirtete mit dem Thronerben - eine höchst bemerkenswerte Verwandlung, die einzig und allein Maisie zu verdanken war.
Hugh sah sich verstohlen nach seiner Tante Augusta um, die, mit Joseph an ihrer Seite, nicht weit von ihm entfernt stand. Sie starrte Nora und
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