Die Pfeiler der Macht
schlecht.«
»Nein!« rief sie und zog das Bein fort.
Hugh war empört. Es war noch gar nicht so lange her, da war sie geradezu sexbesessen gewesen. Beide hatten sie es genossen. Wie konnte es geschehen, daß sie darin auf einmal nur noch eine Fron sah, die sie nur um seinetwillen über sich ergehen ließ? Hatte sie es vielleicht nie gemocht und nur so getan, als ob es ihr gefiele? Der Gedanke hatte etwas ungeheuer Deprimierendes an sich. Er hatte nicht mehr viel Lust, ihr das Geschenk zu geben, aber da er es nun einmal für sie gekauft hatte, wollte er es auch loswerden. »Wie dem auch sei«, sagte er. »Ich hab' hier etwas für dich. Zur Erinnerung an deinen Triumph auf Maisie Greenbournes Mittsommernachtsball.« Seine Stimme paßte nicht zu seinen Worten. Er reichte ihr das kleine Päckchen.
Noras Verhalten änderte sich schlagartig. »O Hugh, du weißt doch, wie sehr ich Geschenke liebe!« sagte sie, riß die Verpackung auf und öffnete die Schatulle. Sie enthielt einen Anhänger in Form eines Blumenstraußes. Die Blüten waren aus Rubinen und Saphiren gearbeitet, die Stengel aus Gold. Auch die feine Kette bestand aus Gold. »Wie schön!« sagte Nora. »Leg sie doch einmal um!« Nora legte sich die Kette um den Hals.
Das Nachthemd war nicht gerade der ideale Hintergrund für das Schmuckstück. »Es paßt sicher besser zu einem ausgeschnittenen Abendkleid«, meinte Hugh.
Mit einem koketten Augenaufschlag begann Nora, die obersten Knöpfe ihres Nachthemds zu öffnen, und Hugh sah mit wachsendem Begehren, wie sie immer größere Partien ihres Busens entblößte. Wie ein Regentropfen an einer Rosenknospe hing der Anhänger in der reizvollen Vertiefung zwischen ihren Brüsten. Sie öffnete Knopf um Knopf und lächelte Hugh an. Endlich schlug sie den Stoff auseinander, zeigte ihm ihre nackten Brüste und fragte ihn:
»Möchtest du sie küssen?«
Hugh wußte nicht, was er davon halten sollte. Spielt sie mit mir, oder will sie mit mir schlafen? fragte er sich. Er beugte sich vor und küßte ihre Brüste, zwischen denen das Juwel baumelte. Er nahm eine Brustwarze zwischen die Lippen und begann, sanft daran zu saugen.
»Komm ins Bett!« sagte Nora. »Hast du nicht vorhin gesagt ...«
»Na, und wenn schon ... Ein braves Mädchen muß sich doch erkenntlich zeigen, nicht wahr?« Sie schlug die Bettdecke zurück.
Hugh fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Obwohl er genau wußte, daß es der Schmuck war, der Noras plötzlichen Stimmungswandel herbeigeführt hatte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen. Sich insgeheim seiner Schwäche schämend, schlüpfte er aus dem Morgenmantel und legte sich zu seiner Frau ins Bett. Als er kam, hätte er am liebsten laut geweint.
Mit der Vormittagspost traf ein Brief von Tonio Silva ein. Kurz nachdem sie sich damals im Kaffeehaus getroffen hatten, war Tonio verschwunden, und der angekündigte Times-Artikel war nie erschienen. Hugh, der zuvor einen großen Wirbel wegen der angeblichen Gefahren für die Bank entfacht hatte, war sich düpiert vorgekommen, und Edward hatte jede sich bietende Gelegenheit genutzt, die Teilhaber an den »falschen Alarm« zu erinnern. Als dann das Drama um Hughs angedrohten Wechsel zu den Greenbournes seinen Lauf nahm, war allerdings rasch wieder Gras über die Affäre gewachsen.
Hugh hatte an das Hotel Russe geschrieben, aber keine Antwort erhalten. Er machte sich Gedanken um seinen Freund, wußte aber nicht, wie er ihm hätte helfen können.
Besorgt öffnete er das Kuvert. Der Brief kam aus einem Krankenhaus; Tonio bat Hugh um einen Besuch. Die letzte Zeile lautete: »Was immer du tust, verrate niemandem meinen Aufenthaltsort.« Was war geschehen? Vor zwei Monaten hatte sich Tonio bester Gesundheit erfreut. Und warum lag er in einem öffentlichen Krankenhaus, einer jener finsteren, unhygienischen Bewahranstalten, die normalerweise den Armen vorbehalten waren? Wer immer es sich leisten konnte, ließ Ärzte und Krankenschwestern ins Haus kommen. Sogar Operationen wurden in den eigenen vier Wänden ausgeführt.
Hugh, der sich auf all das keinen Reim machen konnte, fuhr auf schnellstem Wege ins Krankenhaus. Er machte sich große Sorgen um seinen Freund.
Er fand Tonio in einem dunklen, kahlen Krankensaal, in dem dicht an dicht dreißig belegte Betten standen. Der rote Schopf war geschoren, Narben bedeckten Gesicht und Kopf. »Du meine Güte!« sagte Hugh. »Bist du überfahren worden?«
»Nein, überfallen«, erwiderte Tonio. »Wie ist
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