Die Pfeiler des Glaubens
kniete das Mädchen schon vor ihm und umklammerte seine Beine.
In dieser Nacht säuberte er Ana Marías Schamlippen zuerst mit Honig und gab danach die Asche von Schilfrohr zusammen mit einem Brei aus Gerstenmehl, Honig und Salz auf das Geschwür.
»Gott, steh ihr bei!«, betete er Nacht um Nacht, wenn er die Be handlung wiederholte. Beim nächsten Kontrollbesuch des Arztes war nichts mehr zu sehen.
»Aber sag es nicht weiter«, bat Hamid die überglückliche Ana María, als sie ihm dankbar um den Hals fiel. »Wenn jemand davon erfährt … Der Aufseher oder die Inquisition würden mir den Prozess wegen Hexerei machen. Und dir noch dazu, weil ich dich verhext habe … Was … Was soll das?«, fragte der alte Mann überrascht, als Ana María begann sich auszuziehen.
»Ich besitze doch nur meinen Körper«, war ihre Antwort. Sie öffnete ihre Bluse. Hamid starrte gebannt auf die festen hellen Brüste und die dunkelbraunen Warzenhöfe. Wie lange war er nicht mehr bei einer Frau gewesen?
»Deine Freundschaft reicht mir vollkommen«, sagte er schnell. »Jetzt zieh dich bitte wieder an.«
Seither begegneten alle Frauen in der Bordellgasse Hamid mit größ ter Hochachtung. Selbst der Aufseher verhielt sich seinem Sklaven gegenüber weniger schroff. Was hatte Ana María ihnen bloß erzählt? Der alte Alfaquí wollte es lieber gar nicht erst wissen.
»Ich habe es geschafft: Ihr könnt in Córdoba bleiben«, hatte Hamid Hernando eines Morgens auf der Plaza del Potro ins Ohr geflüstert. Der Alfaquí atmete tief durch, bevor er weitersprach. »Du bist meine Familie … Ibn Hamid, und ich habe dich gern in meiner Nähe. Außerdem … Deine Frau wird einen weiteren Marsch nicht überleben.«
»Sie ist nicht meine Frau«, gestand Hernando endlich.
Hamid sah ihn fragend an, und der junge Mann erzählte ihm die ganze Geschichte. Da erst begriff der Gelehrte, warum Ibrahim ihn bei ihrer ersten Begegnung so wütend angestarrt hatte.
Ana María kannte einen Jurado der Stadt Córdoba: Der Mann war ganz verrückt nach ihr und nahm regelmäßig ihre Dienste in Anspruch. Im Rat der Stadt bildeten die Jurados ein Gegengewicht zu den adeligen Veinticuatros, die dieses Amt erbten. Die Jurados waren zunächst Männer aus dem Volk, die ursprünglich von den Bewohnern gewählt wurden. Doch mit der Zeit wurde auch das Jurado-Amt erblich, und die jeweiligen Monarchen belohnten damit bestimmte Dienste oder bereicherten sich am Verkauf des Amtes. Die Wahl war inzwischen zu einer reinen Formsache verkommen, und die Jurados versuchten sich den Gepflogenheiten der Adligen und besonders der adeligen Veinticuatros anzupassen. Als Ana María ihrem Jurado von Hamid und ihrem Wunsch erzählte, sah der darin vor allem eine Gelegenheit, ihr seine Stärke auch außerhalb des Bettes unter Beweis zu stellen. In einem Anfall von Eitelkeit versprach er ihr, dafür zu sorgen, dass diese tapferen Morisken in Córdoba bleiben konnten.
»Sie sind Familienangehörige des alten Hinkebeins«, erklärte Ana María dem Jurado, als er befriedigt neben ihr im Bett lag. »Eine der Frauen der Familie ist sehr krank. Kannst du sie retten?«
»Zweifelst du etwa an mir?«, war seine Antwort. Ana Maria streichelte dem Mann zärtlich über die Brust.
»Wenn du das schaffst«, hauchte sie verführerisch, »werden wir immer die edelsten und saubersten Leinentücher bekommen.«
Für die Aufenthaltserlaubnis mussten die Männer der Familie Ruiz lediglich eine Beschäftigung vorweisen. Der Jurado besorgte Ibrahim Arbeit auf einem der vielen Felder vor den Toren der Stadt. Hernando vermittelte er eine Stelle als Handlanger in der Gerberei von Vicente Segura.
So kam es, dass Hernando an jenem 30. November 1570 am Guadalquivir-Ufer zur Calle de Badanas unterwegs war und den Auszug der letzten Morisken beobachten konnte. Die Vertriebenen hatten die einstige Stadt der Kalifen bereits hinter sich gelassen und waren inzwischen auf der Höhe der Calahorra-Festung angelangt.
Die Calle de Badanas begann am Fluss an der Kirche San Nicolás de la Ajerquía und führte in einer Kurve auf die Calle del Potro, ganz in der Nähe des gleichnamigen Platzes. Hier befanden sich die meisten Gerbereien, denn sie benötigten reichlich Wasser aus dem Guadalquivir. Ein scharfer, beißender Geruch hing in der Luft, der von den zahlreichen chemischen Prozessen herrührte, die die Felle und Häute durchlaufen mussten, ehe sie zu Sohlen, Schuhen und Riemen aus dem berühmten Korduanleder oder den
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