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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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sehen! Er wollte niemanden mehr sehen. Es war einfach zu viel.
    Er schlenderte im ersten Sonnenlicht durch die erwachenden Straßen von Córdoba, doch das beklemmende Gefühl in seiner Brust ließ nicht nach. Zuerst wollte er zur Kathedrale. Er musste dieses mächtige Bauwerk endlich aus der Nähe sehen, das alle anderen Gebäude in Córdoba überragte: die Mezquita, die ehemalige Hauptmoschee der Kalifen von Córdoba. König Ferdinand hatte befohlen, auf den Grundmauern der Moscheen neue Kirchen zu errichten, und man hatte daraufhin vierzehn muslimische Gotteshäuser überbaut – die restlichen wurden abgerissen. Auch die Mezquita existierte nicht mehr als solche, war jetzt eine christliche Kathedrale, aber es hieß, man könne noch die Arabesken und den gewaltigen maurischen Säulenwald in der alten Gebethalle mit den doppelten Hufeisenbogen sehen, die sie zu einem so einzigartigen Bauwerk machten. Die Leute sagten auch, wenn man sich nur anstrenge, könne man sogar das leise Echo der Gebete der Gläubigen hören.
    Als sich Hernando jedoch an die Beleidigungen der Christen bei ihrer Ankunft in Córdoba erinnerte und an die misstrauischen Blicke der Leute dachte, wenn sie ihn mit Mist beladen in der Nähe der Moschee sahen, verwarf Hernando sein Vorhaben. Er ließ sich einfach durch die Straßen der Ajerquía und der Medina treiben.
    Bei seinem Spaziergang fiel ihm auf, dass die Stadt eigentlich ein einziger riesiger Tempel der Christenheit war. Neben den vierzehn Gotteshäusern gab es noch die Kirchen der etwa vierzig Hospitäler und Heime sowie Klöster mit großzügigem Grundbesitz. Auch die zahlreichen Nonnenklöster – zu denen das Santa Cruz an der Calle de Mucho Trigo gehörte, wo Hernando wohnte – hatten jeweils ihre eigene Kirche. Darüber hinaus gab es an allen Ecken und Enden der Stadt Gemälde und Skulpturen mit christlichen Motiven, und die unzähligen Altäre, auf denen zu jeder Tages- und Nachtzeit Kerzen brannten, waren oftmals die einzigen Lichtquellen der Stadt. Überall gab es Konvente und Klausen mit Mönchen, und auf Schritt und Tritt begegnete man Mönchen oder Mitgliedern von Bruderschaften, die um eine milde Gabe baten.
    Wie sollte ihr Glaube in diesem gewaltigen Christentempel nur überleben? Hernando war vor der Kirche Santa Marina in der Nähe des Schlachthofs angekommen. Seine Schritte hatten ihn in den Norden der Stadt geführt.
    Da stand er nun. Der üble Geruch nach verrottendem Mist haftete an ihm, und er fühlte sich unrein. Trotz seiner widerwärtigen Arbeit wusch sich Hernando immer erst dann, wenn der Gestank wirklich unerträglich wurde.
    »Komm bloß nicht auf die Idee, dich zu baden«, hatte Hamid ihn gewarnt. »Sich waschen ist für die Christen etwas Besonderes, es ist ein Zeichen von Hexerei.«
    »Aber …«
    »Denk immer daran, dass sie es auch nicht tun«, entgegnete der Alfaquí sofort. »Manchmal waschen sie sich die Füße, aber die meisten baden nur einmal im Jahr, an ihrem Namenstag. Die Spitzenbesätze ihrer Hemden sind die reinsten Brutstätten für Läuse und Flöhe. Ich sehe das Tag für Tag. Du weißt doch, ich muss für die Mädchen immer die Tücher wechseln.«
    Während er sich noch über seine aufgezwungene Unsauberkeit ärgerte, ging er am Arroyo de San Andrés entlang zur Kirche San Nicolás de la Ajerquía – schließlich war es Sonntag, und er musste mit Fatima und den übrigen Morisken zum Gottesdienst.
    Das Innere der Kirche überraschte Hernando. Jedes Mal, wenn er vom Schlachthof zur Gerberei zurückgekehrt war, hatte er den niedrigen Bau von außen betrachtet, der sich von den übrigen so viel höheren und größeren Kirchen unterschied. Zwar war auch San Nicolás auf einer alten Moschee errichtet, doch anders als sonst waren hier – wie in der Mezquita – im Inneren noch die für muslimische Gotteshäuser so charakteristischen Säulengänge erhalten. Dieser flüchtige Zauber war jedoch sofort dahin, als der Sakristan damit begann, die anwesenden Morisken anhand seiner Liste zu kontrollieren. In dem Pfarrbezirk waren zweihundert Morisken registriert, anders als in Juviles befanden sie sich hier gegenüber den zweitausend Altchristen in der Minderheit. Die meisten Altchristen waren Handwerker, Kaufleute und Tagelöhner – der Adel wohnte in anderen Stadtteilen.
    Nach dem Gottesdienst verließ Hernando zusammen mit Ibrahim und Hamid die Kirche, und während sie auf die Frauen warteten, kam ein vornehm gekleideter Mann auf sie zu.
    »Ihr gehört

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