Die Pfeiler des Glaubens
Frist jedoch abgelaufen war, fehlte ihnen ein anderes wichtiges Dokument, das ihren Aufenthalt in Córdoba legitimierte und das jeder in Córdoba ansässige Moriske vorweisen musste.
In Absprache mit Hamid und zwei alten Männern, die die Führung der Gemeinde übernommen hatten, kümmerte sich Hernando um diese Neuankömmlinge. Sobald die Frist ihrer Reiseerlaubnis abgelaufen war, blieben ihnen zwei Möglichkeiten, um an das Dokument zu kommen, das sie als offizielle Bewohner von Córdoba auswies: die Heirat mit einer Moriskin, die in Córdoba registriert war, oder die Verhaftung durch die Behörden samt drei- bis vierwöchiger Gefängnisstrafe. Der Rat der Stadt zeigte sich also durchaus gnädig – tat dies aber nicht ohne Hintergedanken: Ihm war schnell klar geworden, dass der Zustrom von Morisken Córdoba guttat. Sie waren billige Arbeitskräfte und sicherten den Hausbesitzern hohe Mieteinkünfte.
Da nicht alle Moriskinnen in Córdoba auf eine Heirat mit einem fremden Flüchtling erpicht waren, landeten die meisten Männer erst einmal im königlichen Gefängnis – einem gewöhnlichen Verwaltungsgebäude, das an einen Kerkermeister verpachtet wurde. Die Stadtverwaltung stellte neben den Räumlichkeiten nur die nötige Anzahl an Fußfesseln und Ketten für die Gefangenen zur Verfügung. Ihr Essen mussten die Sträflinge selbst bezahlen, und auch die Schlafstatt wurde vermietet. Wer es sich leisten konnte, zahlte gern für ein eigenes Bett. Arme und Bedürftige waren dagegen auf die Nächstenliebe der Bevölkerung angewiesen. Diese Nächstenliebe erreichte aber selten jene gotteslästerlichen Neuchristen, die während des Aufstandes so viele Gräueltaten begangen hatten.
Hernandos Aufgabe bestand nun darin zu entscheiden, wann eine Verhaftung und wann eine Heirat sinnvoll war, und er sorgte dafür, dass der Kerkermeister sein Geld erhielt und die Mitglieder der Gemeinde den Gefangenen Essen brachten. Seine Streifzüge rund um die Plaza del Potro hatte er zwar nicht ganz aufgegeben, doch mittlerweile begab er sich dorthin, um Informationen zu beschaffen. Wann würde das nächste Haus eines Morisken kontrolliert werden? Welcher Büttel war für die Festnahme eines Glaubensbruders an welchem Ort geeignet? Wer besaß Moriskensklaven, und wie viel hatte er für sie bezahlt? Wie lange brauchte der Rat der Stadt, um diese oder jene Person einzubürgern? Jeder Hinweis war wichtig, und zuweilen setzte Hernando etwas von dem wenigen Geld ein, das ihm die Alten der Gemeinde gaben, und bezahlte damit die eine oder andere Gefälligkeit. Die Befreiung der Morisken, die während des Alpujarras-Krieges versklavt worden waren, war mittlerweile das Hauptziel der Gemeinde. Aber die Christen, die diese Männer oder Frauen billig gekauft hatten, spekulierten nun mit dem Interesse der Morisken an ihren Glaubensbrüdern und trieben die Preise für den Freikauf in unverschämte Höhen. Jeder Besitzer von Moriskensklaven in Córdoba wurde so mehr oder weniger zu einem kleinen Sklavenhändler, der auf mögliche Nebeneinkünfte aus war. Vor allem Männer verkauften sich gut, Sklavinnen wurden oft zurückgehalten, da ihre Kinder den Stand der Mutter erbten. Eine Moriskin zu schwängern bedeutete also, den Profit noch zu steigern.
Es gab viel zu tun, und Hernando zögerte, sich weiter auf die Fahrten mit der Müden Jungfrau einzulassen. Doch Juan bestand darauf, wie bisher mit ihm zu arbeiten. Und was sollte an dem schnell und leicht verdienten Geld schon schlecht sein? Der Maultierhändler bot ihm sogar eine höhere Beteiligung an.
»Mein neuer Begleiter«, beschwerte er sich und zwinkerte ihm verschmitzt zu, »kennt einfach das märchenhafte Freudenhaus auf der anderen Seite der Meerenge nicht.«
Als Hernando eines Tages durch die Calle de los Marmolejos zur Plaza del Salvador unterwegs war, entschied er, die nächtlichen Ausflüge doch ganz einzustellen. Auf der Rückseite des Klosters San Pablo waren einige Steinbänke in die Mauer eingelassen, und die Barmherzigen Brüder brachten dort für gewöhnlich die Toten hin, die auf dem Feld gestorben waren. Hernando hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, anhand der Kleidung oder Hautfarbe der Leichname abzuschätzen, ob unter ihnen auch Morisken waren. Wenn er meinte, einen Glaubensbruder ausgemacht zu haben, berichtete er den alten Männern der Gemeinde davon. Diese setzten sich dann mit den Oberhäuptern der anderen Gemeinden in Verbindung, um herauszufinden, ob jemand einen Angehörigen
Weitere Kostenlose Bücher