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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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schloss an einen luftigen Vorraum, dessen Wände halb mit bunten Kacheln bedeckt waren. Zum Patio hin war der Raum mit einem Gitter verschlossen. Im Erdgeschoss befanden sich neben der Küche und einem größeren Wohnraum die Latrine und ein weiteres, wenn auch nur sehr kleines Zimmer. Im Obergeschoss gelangte man von der offenen Galerie in vier weitere Zimmer.
    Hernando hatte mit der Idee eines eigenen Hauses geliebäugelt, seit man ihm den Lohn erhöht hatte und Hamid bei ihnen eingezogen war. Der Alfaquí hatte seine erkaufte Freiheit schließlich akzeptiert und sich in Hernandos Obhut begeben. Anders als Aischa, die weiterhin in einer Seidenspinnerei arbeitete, hatte sich Hamid am liebsten in die leer stehenden Zimmer über den Stallungen zurückgezogen. Er genoss die Ruhe an diesem Ort, an dem Pferde die einzige Religion waren. Er betete, sinnierte oder las im Koran. Außerdem übernahm er den Unterricht von Francisco, Inés und Shamir.
    Aber es gab noch einen Grund für den Umzug: Hernando und Fatima wünschten sich ein weiteres Kind, fühlten sich aber durch die ständige Anwesenheit der anderen Familienmitglieder in ihrer Zweisamkeit gestört. Nun, sie schliefen durchaus noch miteinander, aber stets unter Decken versteckt. Sie liebkosten sich äußerst zurückhaltend und unterdrückten ihre Lustschreie. Beide verzehrten sich danach, sich dem anderen endlich wieder ganz hingeben zu können. Sie unterließen all die aufregenden Berührungen, das Spiel ihrer Zungen und die tausend verschiedenen Stellungen, die sie früher ungehemmt genossen hatten, und führten nur noch die Bewegungen aus, die sie unter den Tüchern verbergen konnten. Doch Fatima wurde nicht schwanger.
    Hernando fand schließlich das Haus in der Calle de los Barberos und mietete es. Aischa, Hernando, Fatima und die Kinder zogen in das Obergeschoss. Hamid richtete sich zu Fatimas Beruhigung in dem winzigen Zimmer im Erdgeschoss ein.
    Von der Calle de los Barberos aus konnte man den Glockenturm am Eingang der Mezquita sehen: das ehemalige Minarett, das die übrigen Gebäude der Stadt stolz überragte. Hamid berechnete die Qibla und markierte in seinem Zimmer die Gebetsrichtung mit einer kaum wahrnehmbaren Kerbe.
    »Wer die arabische Sprache vergisst, vergisst unsere Gesetze«, erinnerte Don Julián Hernando eines Tages, als sie zu zweit in der Bibliothek saßen. Dieser Leitspruch der Morisken galt bereits während des Krieges in den Alpujarras und war mittlerweile für die vielen, über alle spanischen Königreiche verstreuten Gemeinden zu einer obersten Maxime geworden. Sie widersetzten sich damit dem Bestreben der Christen, die den Morisken die arabische Sprache in ihrem Alltag verbieten wollten.
    Vor allem die städtischen Verwaltungen, die Kirche und die Inquisition beharrten auf dem königlichen Verbot der arabischen Sprache. Die Reaktion der Morisken ließ nicht lange auf sich warten: Sie trieben insgeheim den Bau von Medressen voran, an denen unterrichtet werden konnte, und sie versorgten die Muslime mit Abschriften des verbotenen heiligen Buches.
    »Endlich! Sie sind eingetroffen«, berichtete ihm Don Julián eines Abends und legte ein leeres Blatt Papier vor Hernando auf den Schreibtisch. Es war spät, und sie waren allein in der Bibliothek. Die Geistlichen bezahlten Hernando gut, und Hernando gab dieses Geld direkt an seine Glaubensbrüder weiter – etwa für die Befreiung von Moriskensklaven. Um nichts in der Welt hätte er sich zu Lasten seiner Glaubensbrüder bereichern wollen.
    Hernando strich mit den Fingerkuppen über das Papier: Es war rau und uneben, sehr grob, zudem verriet kein Wasserzeichen seine Herkunft.
    »Es sind noch viel mehr Blätter eingetroffen«, sagte der Geistliche, während Hernando ein Blatt aufhob, das etwas länger und breiter war als die anderen. »Dieses Papier kommt von unseren Glaubensbrüdern in der Gegend von Xátiva. Sie haben es heimlich in ihren Häusern hergestellt.«
    Seit fast vier Jahrhunderten wurde in Xátiva nach islamischer Technik Papier geschöpft. Die christlichen Könige gestanden der Moriskengemeinschaft von Xátiva gewisse Privilegien zu und stellten dieses Gewerbe unter ihren Schutz. Viele von ihnen schöpften zudem heimlich aus alten Kleidern und Stoffen in Heimarbeit Papier. Und diese häuslichen Betriebe versorgten die Moriskengemeinden in ganz Spanien.
    »Wie hast du es beschaffen können?«, fragte Hernando.
    »Über Karim.«
    »Und was ist mit dem Brückenzoll?«
    Don Julián

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