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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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Aufseher freudig an.
    »Aber was soll ich denn mit ihm anfangen? Er ist alt … und behindert … und dann beschimpft er mich auch noch. Bist du verrückt?«
    »Er hat dich also beleidigt?«, versuchte ihn der Aufseher zu provozieren. »Was hast du denn davon, wenn die Inquisition ihn bestraft? Er wird seine Tat bereuen, wie all die anderen Feiglinge, er wird sich mit der Kirche aussöhnen, und dann werden sie ihn höchstens zum Büßerhemd verurteilen. Du siehst doch, wie alt er ist.«
    Juan zog die Stirn in Falten, als müsste er nachdenken.
    »Ja, wenn er mir gehören würde«, murmelte er vor sich hin, »müsste er den ganzen Tag den Mist der Maultiere einsammeln.«
    »Fünfzehn Dukaten«, lautete das Angebot des Aufsehers.
    »Bist du verrückt geworden?«
    Fünf Dukaten. Am Ende zahlte der Maultierhändler fünf Dukaten, und in diesen Betrag waren Ángelas Dienste bereits mit eingerechnet. Juan entschied, nicht länger zu warten: Im Beisein von zwei Freiern als Zeugen zahlte er den Betrag und verließ sofort die Bordellgasse. Er hatte mit dem Aufseher vereinbart, dass sie den Kaufvertrag gleich am nächsten Morgen bei einem Notar aufsetzen würden. Hamid humpelte gefasst hinter ihm her.
    Hernando starrte gedankenverloren vor sich hin, während er dem Bericht über die Belagerung und Einnahme der Stadt Haarlem zuhörte. Ein Kriegsversehrter der Tercios in Flandern hatte vor fünf Jahren daran teilgenommen und erzählte am Tisch vor der Schenke einigen neugierigen Gästen davon, die ihm dafür gern ein Glas Wein ausgaben. Der fast völlig blinde Soldat trug immer noch stolz die Fetzen, mit denen er unter dem Befehl von Don Fadrique de Toledo, dem Sohn des Herzogs von Alba, gekämpft hatte. Er berichtete von der unnachgiebigen Belagerung der Stadt, bei der die Tercios zahlreiche Verluste hinnehmen mussten. Der Kommandant wollte schon fast von seinem Plan, die Stadt einzunehmen, ablassen, da erhielt Don Fadrique ein Schreiben seines Vaters.
    »Der Herzog von Alba drohte ihm«, erzählte der Soldat, »wenn Don Fadrique das Feld räume, ohne die Festung einzunehmen, wäre er nicht mehr sein Sohn. Aber wenn er bei der Belagerung den Tod fände, würde er selbst, der kranke, bettlägerige Herzog, ihn als Befehlshaber ersetzen.« Die Männer, die sich um den Kriegsversehrten scharten, lauschten gebannt seinen Worten, während um sie herum das übliche Treiben der Plaza del Potro weiterging. »Und falls beide Männer scheitern sollten, würde sich seine Mutter höchstpersönlich aus Spanien aufmachen und den Mut und die Ausdauer aufbringen, die ihrem Sohn und ihrem Ehemann fehlten.«
    Durch die Gruppe der Zuhörer ging ein Raunen, der eine oder andere Schankgast klatschte begeistert. Der Soldat nutzte den Moment, sein Glas zu leeren. Er wartete geduldig, dass es wieder gefüllt wurde, und berichtete dann von der blutigen Einnahme der Stadt. Hernando bemerkte, wie ihn jemand im Vorbeigehen an der Schulter berührte.
    Er drehte sich um und sah Hamid, der mit gesenktem Kopf hinter dem Maultierhändler herschlurfte. Juan hatte es geschafft! Ein freudiger Schauder lief ihm über den Rücken, er war wie gelähmt, sprachlos beobachtete er, wie die beiden langsam über den Platz gingen.
    »Auf Befehl seines Vaters«, rief der Soldat gerade, »ließ Don Fadrique mehr als zweitausendfünfhundert Wallonen, Franzosen und Engländer hinrichten.«
    »Ketzer!«
    »Verdammte Lutheraner!«
    Hernando nahm die Beschimpfungen nicht wahr, er hatte nur noch Ohren für das seit seiner Kindheit so vertraute Geräusch von Hamids schlurfenden Schritten. Er führte schnell eine Hand an die Augen, um die Tränen abzuwischen. Die beiden Gestalten gingen einfach weiter – ungeachtet der Leute, des Krachs, der Streitereien und der Scherze, ungeachtet der ganzen Welt. Ein schmächtiger, gebeugter Maultierhändler ohne Zähne, ein Schelm und Gauner. Ein Retter. Und hinter ihm ein lahmer, vom Leben erschöpfter alter Sklave. Ein heiliger Mann. Hernando wurde von vielen Gefühlen übermannt. Er ballte die Fäuste und zuckte kaum merkbar mit den Armen, aber er beherrschte die Anspannung seines Körpers. Er bemerkte, wie langsam der Alfaquí vorwärtskam.
    Niemand sonst schien die beiden Männer zu beachten, die gerade in der Calle de Armas verschwanden, und seine Tischnachbarn lauschten nach wie vor den Berichten des Kriegsversehrten.
    »Sie waren uns den Sold von zwanzig Monaten schuldig! Und verboten uns trotzdem, Haarlem zu plündern! Das Geld, das die

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