Die Pfeiler des Glaubens
erfasst: Dies waren seine Kinder!
Da rief Aischa zum Abendessen.
Hernando half dem Alfaquí beim Aufstehen. Hamid stützte sich auf den jungen Mann. Auf ihrem gemächlichen Gang durch den Patio, den die Kinder in wenigen Schritten durcheilten, blieben sie an dem kleinen Brunnen stehen.
»Kannst du dich an das Wasser in den Bergen erinnern?«, fragte der Alfaquí.
»Ja, ich träume immer noch davon.«
Wenn Hamid ihnen den wahren Glauben näherbrachte, so bemühte Hernando sich, den Kindern den Katechismus der Christen beizubringen, damit sie sonntags in der Kathedrale oder bei den wöchentlichen Kontrollbesuchen des Pfarrers von Santa María ihre gelungene Missionierung bezeugen konnten. Der Jurado und der Superintendent hatten ihre Kontrollen etwas vernachlässigt, vermutlich weil Hernando aufgrund seiner Anstellung beim königlichen Marstall nun einer anderen Gerichtsbarkeit unterlag. Nur der immer tadellos im schwarzen Habit und mit Barett bekleidete Don Álvaro – der Dompfründenbesitzer, der der Pfarrei vorstand – stattete ihnen nach wie vor jede Woche einen Besuch ab, als wäre Hernando ein ganz normaler Neuchrist. Doch alle vermuteten, dass sein vorrangiges Interesse vor allem dem vorzüglichen Wein und dem schmackhaften Gebäck galt, mit dem er bei seinen ausgiebigen Besuchen verwöhnt wurde. Jedenfalls pflegte Don Álvaro in einem Stuhl unter der Galerie zu sitzen und bei Wein und Gebäck die Kinder abzufragen. Woche für Woche ließ er sich die Gebete und die Glaubensgrundsätze aufsagen, die man ihnen beigebracht hatte. Dabei verfolgte die gesamte Familie gespannt das Schauspiel, immer in Angst, dass einem der Kinder ein arabischer Satz oder Begriff herausrutschen könnte.
Sobald sich die Gelegenheit bot, ergriff Hernando die Initiative und setzte sich zu dem Geistlichen und versuchte ihn mit einem Gespräch abzulenken, am liebsten über die andere große Ketzerbewegung, die das spanische Reich derzeit bedrohte und die ihn tatsächlich interessierte: der Lutheranismus.
Hamid wiederum täuschte immer das eine oder andere Unwohl sein vor und zog sich auf sein Zimmerchen zurück, sobald Don Álvaro über die Türschwelle trat. Hernando war davon überzeugt, dass es für ihn eine Art persönliche Herausforderung war, in Anwesenheit des christlichen Geistlichen heimlich in seinem Zimmer zu beten.
»Wir machen das aus Nächstenliebe«, rechtfertigte sich Hernando vor Don Álvaro, wenn die Rede auf diesen unsichtbaren Hamid kam, der laut Kirchenregister mit ihnen im Haus lebte. »Hamid ist ein alter, kranker Mann aus unserem Dorf in den Alpujarras. Als guter Christ konnte ich nicht zulassen, dass er einfach auf der Straße krepiert. Er leidet derzeit unter Rückfallfieber, möchtet Ihr ihn sehen?«
Der Geistliche nahm einen Schluck Wein und bewunderte das in der Frühlingsbrise leicht wogende Blumenmeer im Patio. Er schüttelte zu Hernandos Erleichterung den Kopf. Warum sollte er sich einem alten Mann, der noch dazu fieberte, auch nur nähern?
Nachdem Don Álvaro die Kinder wieder einmal abgefragt hatte, unterhielten sich Hernando und der Geistliche ungestört unter der Galerie, während Aischa und Fatima von der anderen Seite des Patios aus dafür sorgten, dass immer ausreichend Wein und Gebäck bereitstanden. Erst vor Kurzem war Hernando und Don Julián eine spanische Übersetzung der Institutio Christianae religionis von Jean Calvin in die Hände gefallen, eine Veröffentlichung aus England. Viele spanische Schriften der Protestanten, die heimlich in den Königreichen Philipps II. kursierten, stammten aus England, Holland oder Dänemark. Der König und die Inquisition wollten den katholischen Glauben um jeden Preis rein und makellos halten und jeden ketzerischen Einfluss im Keim ersticken.
Die Kritik am Papst und am Ablasshandel, die Behauptung, dass jeder Gläubige die Heilige Schrift unabhängig von seiner Stellung innerhalb der Kirche auslegen dürfe, und die kritische Haltung zur Vorherbestimmung waren Gemeinsamkeiten der beiden Religionen, die gegen die Angriffe der katholischen Kirche zu kämpfen hatten. Hernando diskutierte darüber sowohl mit Don Julián als auch mit Don Álvaro.
»Du darfst dabei aber eines nie vergessen«, sagte der Geistliche. »Die Protestanten sind letztendlich immer noch Christen. Die konvertierten protestantischen Morisken hingegen wollen keineswegs nur eine Reform, sie wollen die Zerstörung des Christentums. Die synkretistischen Positionen des lutherischen und
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