Die Pfeiler des Glaubens
zwinkerte ihm zu.
»Es ist überraschend einfach, einige Blätter Papier unter den Sätteln der Maultiere oder Pferde zu verstecken.«
Hernando nickte und fuhr mit den Fingerkuppen erneut über das raue Blatt.
Nach einer kurzen Lehrzeit bei Don Julián hatte Hernando damit begonnen, Koranabschriften anzufertigen. Er verfasste sie auf Hocharabisch, wobei Lesbarkeit und Schnelligkeit wichtiger waren als ästhetische Ansprüche der Kalligraphen. Außerdem schrieb er zwischen die Zeilen mit den hocharabischen Suren immer noch seine spanische Übersetzung in arabischer Schrift, damit auch wirklich alle Leser sie verstehen konnten. Sie versteckten die Blätter mit den Abschriften zwischen den Büchern in der Bibliothek der Kathedrale, und Karim ließ die daraus hergestellten Buchexemplare über Mittelsmänner im ganzen Königreich Córdoba verteilen.
Während Hernando die verbotenen Abschriften des Korans anfertigte, vermittelte Fatima den Moriskenfrauen in Córdoba ihre Kultur mündlich, damit diese ihre Kenntnisse an ihre Kinder und Ehemänner weitergeben konnten. Unter der geduldigen Anleitung von Hernando und Hamid hatte sie einige Suren, Passagen aus der Sunna und die bekanntesten Weissagungen für die Morisken auswendig gelernt.
Jeden Tag ging sie zunächst einkaufen, danach traf sie sich mit anderen Frauen, um bei einer Limonade vermeintlich harmlose Gespräche zu führen.
»Wir Frauen sind dazu berufen, die Gesetze unseres Volkes an unsere Kinder weiterzugeben«, spornte Fatima die Frauen nicht zum ersten Mal an. »Wir dürfen nicht zulassen, dass wir sie vergessen. Unsere Männer arbeiten den ganzen Tag und kommen abends erschöpft nach Hause, wenn die Kinder schon schlafen. Außerdem würde ein Kind niemals seine eigene Mutter bei den Christen verraten.«
Dann brachte sie den aufmerksamen Frauen eine Sure bei, und ihre Zuhörerinnen wiederholten die Rezitation. Danach erklärte sie ihnen die Passage so, wie Hamid es ihr erklärt hatte.
Fatima hatte jeden Tag andere Zuhörerinnen. Und immer wenn sie eine Passage aus dem Koran besprochen hatten, baten die Frauen sie, eine der bekannten Weissagungen für die Morisken zu rezitieren.
Diese Worte, die ihrem Volk galten, den Muslimen von al-Andalus, waren ihre große Hoffnung. Sie verhießen ihnen die Rückkehr ihrer Traditionen, ihrer Kultur und ihrer Gesetze – sie versprachen den Sieg! Bei Fatimas Worten blitzten Sehnsucht und Hoffnung in den Augen der Frauen auf.
»Wir müssen kämpfen«, forderte sie ihre Gefährtinnen auf. »Wir dürfen nicht aufgeben! Gott steht uns bei! Die Verheißungen werden sich erfüllen!«
An einem lauen Frühlingsabend kam Hernando müde nach Hause. Sie hatten soeben die Abreise von mehr als vierzig Pferden zum Hafen von Cartagena vorbereitet. Die Tiere sollten auf einem Schiff nach Genua und dann weiter nach Österreich gebracht werden. König Philipp wollte diese wunderbaren Pferde verschenken: an seinen Neffen, den Kaiser, an die Erzherzöge, den Herzog von Savoyen und den Herzog von Mantua. Auf Geheiß des Königs wurden zunächst die Tiere ausgewählt, die für seinen persönlichen Bedarf und den des Prinzen nach Madrid gebracht werden sollten, und dann wurden die Exemplare ausgesucht, die man verschenken wollte. Don Diego verbrachte den ganzen Tag in den Stallungen. Er traf eine Auswahl, überlegte es sich anders und änderte seine Meinung am Ende wieder. Bei seinen Entscheidungen ließ er sich von den Bereitern beraten.
»Ich weiß nicht, ob er zur Zucht taugt«, sagte Hernando verunsichert, als er einen imposanten fünfjährigen Hengst vor sich hatte, einen stolzen Grauschimmel mit elegantem Lauf. Der Oberstallmeister hatte ihn bereits für die Überfahrt nach Österreich bestimmt.
»Natürlich!«, antwortete Don Diego, ohne sich umzudrehen. »Am Wiener Hof gibt es großartige Reiter und noch bessere Züchter. Dieser Hengst wird ganz sicher viele Nachkommen haben, auf die sie stolz sein können.«
Auf seinem Heimweg zweifelte Hernando noch immer an den getroffenen Entscheidungen. Zu Hause angekommen, musste er feststellen, dass die Tür verriegelt war. Im Monat Mai und zudem zu dieser Tageszeit waren Haustür und Gitter zum Patio für gewöhnlich unverschlossen. War etwas passiert? Er schlug kräftig gegen das Holz – immer wieder. Erst als Fatima lächelnd die Tür öffnete, beruhigte er sich wieder.
»Was ist los?«, wollte er von ihr wissen, als sie die Tür hinter ihm verriegelte.
Fatima führte nur einen
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