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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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Kathedrale wie ein gewaltiges Getöse vor. Don Julián wiederum hatte das Schloss und die Türscharniere des mächtigen schmiedeeisernen Gitters der Capilla de San Bernabé geölt.
    »Ihr müsst das Gotteshaus verlassen!«, hörte er die Pförtner mit lauter Stimme sagen, nachdem er die Gittertür hinter sich abgeschlossen hatte.
    Links neben ihm lag hinter einem kostbaren Wandbehang der Schrank versteckt, von dem Don Julián gesprochen hatte.
    Hernando war von den Lichtreflexen auf dem weißen Marmor dieser Kapelle beeindruckt, die von den Ölkandelabern an der Decke der Kathedrale und den Tausenden Kerzen herrührten, die in den Kapellen und vor den Altären flackerten. Er war schon oft an dieser Kapelle vorbeigegangen, aber erst jetzt erkannte er ihre Einzigartigkeit. Er strich mit den Fingern über den kalten Marmor des Altars und des Altaraufsatzes, mit dem die gesamte Frontseite dieser dem heiligen Barnabas geweihten Kapelle gestaltet war. Die in weißem Stein verewigten Szenen stammten von einem französischen Meister und schienen in ihrer Zurückgenommenheit einen stillen Kampf mit den verschwenderischen Farben, dem vergoldeten Stuck und den apokalyptischen Gemälden der übrigen Bereiche der Kathedrale auszufechten.
    Hernando atmete tief durch. Er versuchte die erhabene Schönheit dieses Ortes in sich aufzunehmen, da hörte er plötzlich die beiden Pförtner kommen. Sie hatten die Eingänge zur Gebetshalle verriegelt und wollten nun noch einmal die Eisengitter der Kapellen kontrollieren. Er hörte sie lachen und schwatzen und konnte gerade noch rechtzeitig in den Schrank hinter dem Wandbehang gleiten, bevor die Pförtner diese Kapelle erreichten.
    Die erste Nacht verbrachte er in seinem Versteck. Erschöpft kauerte er am Schrankboden und fiel in einen tiefen Schlaf.
    Am nächsten Tag wurde er vom frühmorgendlichen Treiben in der Kathedrale geweckt und konnte unentdeckt aus dem kleinen Schrank schlüpfen: Das Morgengebet wurde im Hauptschiff abgehalten, auf dessen Rückseite sich die Kapelle befand. Er befestigte die Schlüssel mit einem rostigen Draht so an der untersten Eisenstange des Gitters, dass sie für niemanden sichtbar waren.
    Auch in den folgenden Nächten verließ er, aus Furcht, entdeckt zu werden, den Schrank nicht. Er schlief in der Hocke oder döste ein wenig im Stehen. Manchmal schlief er gar nicht und trauerte um Fatima und die Kinder, um Hamid und um all die anderen Lieben, die er verloren hatte. Er hatte ja den ganzen Tag Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen.
    Eines Morgens sah er, wie sie Mesa aus dem Hof brachten. Der Dokumentendieb wurde also doch der Justiz übergeben, deren Büttel ihn bereits auf der Straße vor der Puerta del Perdón erwarteten. Aischa hatte inzwischen einige treue Glaubensbrüder gebeten, Hernando zu versorgen, und so brachte ihm jeden Tag ein anderer Moriske etwas zu essen. Auch Aischa war inzwischen ganz auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesen: Das Domkapitel hatte ihr das schöne Haus mit dem Patio in der Calle de los Barberos gekündigt, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnte, doch sie fand Unterschlupf bei anderen Morisken.
    »Um die ausstehende Miete zu kassieren, haben sie alles behalten, was uns unsere Glaubensbrüder nach der Plünderung gegeben haben«, jammerte sie. »Sogar die Strohsäcke und die Töpfe …«
    Hernando hörte nicht weiter hin, er spürte nur, wie das letzte Band zu seinem vorherigen Leben durchtrennt wurde – zu dem Ort, an dem er ein glückliches Leben geführt hatte.
    »Was ist mit dem Koran?«, unterbrach er sie plötzlich. Aischa drehte sich erschrocken nach links und rechts um, um sich zu vergewissern, dass ihnen niemand zuhörte.
    »Den habe ich Jalil gegeben.« Aischa schwieg einige Augenblicke. »Aber das hier habe ich ihm nicht gegeben.«
    Da ließ sie die goldene Fatimahand durch ihre Finger gleiten, den kleinen Anhänger, den seine Frau immer getragen hatte. Hernando strich zärtlich über das Schmuckstück, doch bei der Berührung kam ihm das Metall erschreckend kalt vor.
    In dieser Nacht küsste er die Fatimahand unzählige Male und weinte bitterlich. Auf einmal hatte er Fatimas bezaubernden Duft wieder in der Nase, und ihre sanften Worte hallten in seinen Ohren wider. Fatimas Worte, die sie genau hier, in der Gebetsstätte der Gläubigen, gesagt hatte.
    »Denke immer an diesen Schwur, und halt dich daran, was auch geschehen mag«, hatte Fatima ihn gebeten.
    Er hatte ihr damals geschworen, dass sie eines Tages

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