Die Pfeiler des Glaubens
einige Säuglinge auffraß. Da ließ der fromme Dekan der Kathedrale ein Findelhaus bauen und überließ diesen Säulengang den Menschen, die in der Kirche Schutz suchen. Deshalb heißt dieser Gang hier nach den Kindern.«
Unwillkürlich musste Hernando an Francisco und Inés denken. Ein eisiger Schmerz durchzuckte ihn. Wie sehr hatte sich sein Leben doch verändert! Nun noch seine Verhaftung … Er spürte auf einmal, dass ihn alle Männer anstarrten.
»Hernando, komm, trink einen Schluck«, forderte ihn Pedro auf, der trotz der kühlen Nacht seinen Oberkörper immer noch nicht bedeckt hatte.
Hernando wies die Flasche zurück. Die Büßerhemden an den Wänden schienen im flackernden Licht der Fackeln zu tanzen. Die Hunderte weißer Hemden boten ein makabres Schauspiel.
»Dann gib mir den Wein!« Mesa, der Mann neben ihm, ein dunkler, eher orientalischer Typ, nahm ihm die Lederflasche aus der Hand und hielt sie gierig an seinen Mund. Niemand hinderte ihn daran, die Flasche fast ganz auszutrinken.
»Es geht das Gerücht um, dass sie ihn ausweisen und der weltlichen Justiz übergeben«, entschuldigte ein anderer Mann Mesas Verhalten, den alle nur den »Franzosen« nannten. »Wir wissen nicht warum, aber die Pfaffen hassen ihn. Dabei hat er nur eine Aufenthaltserlaubnis geklaut, um arbeiten zu können … Vermutlich ist er der Nächste, den sie rauswerfen.«
»Eines Tages müssen wir alle gehen. Also erfreuen wir uns unserer Tage, die wir hier zusammen verbringen«, sagte ein Waffenhändler, der erst kürzlich aus der Neuen Welt nach Spanien zurückgekehrt war und nun Probleme hatte, weil eine Ladung Arkebusen unter seiner Aufsicht verschwunden war.
»Nein …«, wollte Pérez gerade widersprechen.
Plötzlich rief jemand quer über den gesamten Hof nach Hernando.
Im Fackellicht konnte man neben der Puerta de Santa Catalina die Umrisse eines Mannes erkennen, der die Hände in die Hüften gestemmt hielt.
»Ruhig! Bleib sitzen!«, befahl der Chirurg, als Hernando aufstehen wollte.
»Wo ist der Mistkerl Hernando?«, rief der Mann am Tor noch einmal.
»Was soll das?«, rief Pérez zurück und stand auf. Alle kannten den Buceador. »Wenn du weiter so rumschreist, kommen noch die Pfaffen angerannt. Was soll mit diesem Hernando sein?«
»In den Straßen ringsum stehen die Männer des Grafen von Espiel. Sie suchen den Mann. Sie haben damit gedroht, uns alle festzunehmen und vor den Richter zu zerren, sobald wir hinausgehen … Es sei denn, wir übergeben ihnen diesen Morisken.«
Auch wenn sie damit ihr Kirchenasyl aufs Spiel setzten, wagten die meisten Hofbewohner Ausflüge in das nächtliche Córdoba. Die Plaza del Potro und die Spelunken mit den Karten- und Würfelspielen und den verbotenen Wetten waren nicht weit. Dort lockten Wein, Weib und Kampf. Die Büttel und Richter konnten nachts keine ständige Wache um die Kathedrale aufstellen, außerdem wurden die Verbrecher nach Absprachen zwischen der Kirche und der Justiz ohnehin nach und nach ausgeliefert. Warum sollten sie also wegen eines Haufens Raufbolde auf ihren Schlaf verzichten? Aber wenn nun der Graf diese Wachen bezahlte und damit verhinderte, dass die Schützlinge das Nachtleben genießen konnten, war das ein Problem. Einige Hofbewohner aus den übrigen Säulengängen scharten sich um den Mann bei der Puerta de Santa Catalina.
»Anscheinend bist du noch übler dran als ich«, stellte Mesa fest und verzog das Gesicht nach dem nächsten Schluck Wein. »Dabei bist du ja noch nicht mal einen Tag bei uns.«
Hernando wusste nicht, wie er reagieren sollte.
»Halt erst mal still!«, mahnte ihn Pérez.
»Wo ist dieser Hernando?«, rief ein Mann. »Wir müssen ihn den Soldaten des Grafen übergeben!«
Immer mehr Hofbewohner begaben sich zur Puerta de Santa Catalina.
»Dummköpfe!«, rief Luis zurück. »Was geht es dich an, wo er ist? Seht alle her, ich bin Hernando!«
»Und ich bin Hernando!«, stimmte der Chirurg sofort ein, als er die Absichten seines Gefährten durchschaut hatte.
»Und ich bin auch Hernando!«, behauptete Pérez. »Wenn wir ihnen in die Hände spielen, ist es heute dieser Hernando, und morgen kann es jeden von uns treffen. Dich«, sagte er noch und zeigte auf einen in der Nähe stehenden Mann, »oder dich. Wir alle werden von jemandem gejagt. Vielleicht hat unser Verfolger nicht die Mittel des Grafen. Aber wenn die erst einmal spitzkriegen, dass wir uns gegenseitig ausliefern … Außerdem ist es nach wie vor ein Sakrileg, den Schutz
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