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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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Kathedrale eingegliedert – beziehungsweise überbaut – werden. Hernando saß ab und spazierte durch die ehemals wichtigste Gebetsstätte der Muslime von Granada – ein Bauwerk mit niedriger Holzdecke, das von den beeindruckenden weißen Steinsäulen in fünf Joche geteilt wurde. Ein Geistlicher begleitete ihn ins Dienstzimmer des Notars.
    Was war damals in Juviles wirklich passiert? Hernando überlegte, während der Notar mit der Schreibfeder in der Hand auf eine Antwort wartete. Sollte er etwa erzählen, wie seine Mutter so lange mit dem Faustdolch auf den Dorfpfarrer eingestochen hatte, bis dieser nur mehr ein blutiger Haufen Fleisch und Knochen war?
    »Es ist sehr schmerzlich, von Juviles und den fürchterlichen Vorgängen zu berichten, die ich dort mit ansehen musste. Meine Erinnerungen sind zudem etwas verschwommen.« Der Notar sah von seinen Papieren auf und warf Hernando einen kritischen Blick zu. »Vielleicht … vielleicht sollte ich besser in Ruhe darüber nachdenken und meine Gedanken ordnen. Ich könnte sie dann selbst niederschreiben und Euch zukommen lassen.«
    »Ihr könnt schreiben?«, erkundigte sich der Notar überrascht.
    »Ja. Der Sakristan von Juviles hat mich Lesen und Schreiben gelehrt.«
    Was wohl aus Andrés geworden war? Seit seiner Ankunft in Córdoba hatte er nichts mehr von dem Mann gehört, der …
    »Es betrübt mich, Euch mitteilen zu müssen, dass Andrés erst kürzlich verstorben ist«, stellte der Notar fest, als hätte er Hernandos Gedanken erraten. »Wir wussten, dass er inzwischen in Córdoba lebte, und wir haben ihn gesucht, damit auch er Zeugnis über …«
    Hernando atmete erleichtert auf, aber sogleich rutschte er unruhig im harten Holzsessel vor dem Schreibtisch des Notars hin und her. Eigentlich war es jetzt an der Zeit, mit diesem Theater aufzuhören! Er war Muslim! Er glaubte an den einzigen Gott und an Mohammeds Mission als Prophet! Der Notar schlug die Akte auf dem Tisch zu.
    »Ich habe reichlich zu tun«, entschuldigte er sich. »Ihr würdet mir einen großen Dienst erweisen und kostbare Zeit ersparen, wenn Ihr Eure Erlebnisse selbst zu Papier bringen könntet.«
    Und viel Arbeit, dachte Hernando, als der Mann aufstand und ihm zum Abschied die Hand reichte.
    Draußen schien die Sonne, und die ganze Stadt war ein einziges buntes Treiben. Hernando saß wieder auf Volador auf und überlegte, den Diener einfach heimzuschicken und sich allein in der Stadt umzusehen. Er könnte eine Schenke aufsuchen und in Ruhe über alles nachdenken. In der Nacht, als die Gäste den Carmen verlassen hatten, war er mit seinen Gedanken nur bei Isabel gewesen. Die Wärme ihres Körpers und die Berührung ihrer Finger hatten ihn aufgewühlt. Volador tänzelte ungeduldig auf der Stelle, auch der Diener erwartete missmutig die nächste Anweisung.
    Juviles! Da fiel ihm plötzlich alles wieder ein: Die Christen, die nackt und mit gefesselten Händen auf dem Feld ihren Tod erwarteten, die Morisken – darunter seine Mutter –, die dem Pfarrer und dem Pfründenbesitzer nach dem Leben trachteten. Viele hatten damals dank der Barmherzigkeit des Monfí-Anführers El Zaguer überlebt, der Farrax’ Befehle missachtet und dem Gemetzel Einhalt geboten hatte. Was hatten diese Menschen wohl berichtet? Alle hatten gesehen, mit welcher Brutalität Aischa über den Pfarrer hergefallen war und wie sie mit dem blutigen Faustdolch in Händen schließlich »Allahu akbar!« gerufen hatte. Seine Mutter war die Mörderin von Don Martín! Wussten sie, dass er ihr Sohn war? Vermutlich nicht. Wahrscheinlich brachten sie Aischa mit Ibrahim in Verbindung, mit dem Maultiertreiber, aber nicht mit einem vierzehnjährigen Jungen. Aber …
    »Es geht zurück zum Albaicín«, wies er den Diener an und ritt einfach los.
    Hernando traf Don Sancho beim Frühstück an.
    »Guten Tag«, begrüßte er den Hidalgo.
    »Wie ich sehe, bist du beizeiten aufgestanden«, stellte Don Sancho fest. Hernando setzte sich zu ihm und berichtete ihm von der Bitte des Dekans und von seinem Besuch beim Notar der Kathedrale am frühen Morgen. Don Sancho hörte schweigend zu. »Auch ich habe einen neuen Auftrag für dich. Gestern Abend saß ich beim Essen neben Don Pedro de Granada Venegas«, berichtete er stolz. Hernando zog die Stirn in Falten. Was wollten diese Christen denn noch von ihm? »Die Granada Venegas«, fuhr Don Sancho fort, »halten in ihrem Palast in der Casa de los Tiros regelmäßig Gesprächsrunden ab. Don Pedro war so

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