Die Pfeiler des Glaubens
einflussreichen Gästen ins Gespräch zu kommen. Hernando entging die wachsende Verzweiflung des Hidalgos nicht.
»Ich möchte Euch Don Sancho de Córdoba vorstellen, den Cousin des Herzogs von Monterreal«, sagte er zu einem Mann, den man ihm als den Pfarrer von San José vorgestellt hatte.
Der Geistliche begrüßte den Hidalgo mit einer angedeuteten Kopfbewegung, doch damit war sein Interesse an Don Sancho schon wieder verflogen, und der Mann wandte sich erneut Hernando zu.
»Ich schätze mich überaus glücklich, den Mann kennenzulernen, der Doña Isabel aus den Fängen der Ketzer befreit hat. Ich habe auch von Euren anderen Heldentaten gehört, beispielsweise wie Ihr Don Alfonso de Córdoba und viele andere Christen gerettet habt.« Hernando versuchte seine Überraschung zu verbergen. »Doña Isabel«, sprach der Pfarrer weiter, während die Hausherrin aufmerksam zu ihm herübersah, »ist eine meiner frömmsten, nein, vielleicht sogar die frömmste Gläubige in unserer Pfarrei. Wir alle sind so beglückt, dass Ihr ihre Seele für Unseren Herrn gerettet habt.«
Hernando blickte zu seiner Gastgeberin, die das Lob demütig annahm.
»Ich habe unlängst mit einigen Domherren gesprochen«, fuhr der Geistliche fort, »und wir möchten Euch einen Vorschlag unterbreiten. Ich gehe davon aus, dass der Dekan – der meines Wissens heute Abend mit Euch am selben Tisch sitzen wird – Euch noch davon berichten wird.«
Nach den Worten des Pfarrers von San José konnte sich Hernando nicht mehr auf die nun eintreffenden Gäste konzentrieren. Welchen Vorschlag wollten ihm die Domherren unterbreiten?
Seine Neugierde sollte bald gestillt werden. Tatsächlich bekam Hernando einen Ehrenplatz an der langen Haupttafel zugewiesen, die in einem der Laubengänge im Garten aufgestellt war – zwischen Don Ponce und dem Corregidor von Granada. Ihm gegenüber saßen Juan de Fonseca, der Dekan der Kathedrale, sowie zwei Veinticuat ros: ein Marquis und ein Graf. Die anderen Gäste waren ihrem Rang entsprechend platziert. Eine ähnliche Tafel stand auf der anderen Seite des Wasserbeckens. Dort konnte Hernando Don Sancho erkennen, der angeregt mit seinen Tischnachbarn plauderte. Im gesamten Carmen standen außer den beiden langen Ehrentischen noch zahlreiche weitere Tische in den kleineren Ziergärten. Dort speisten Männer, die entsprechend den Vorschriften des tridentinischen Konzils zumeist in Schwarz gekleidet waren, oder Frauen, die sich in Prunk und Schönheit gegenseitig zu übertreffen suchten. Im Gartenhäuschen am Ende der Laubengänge hatten Musiker Platz genommen, die mit Posaune, Horn, Schalmei, zwei Flöten, einer kleinen Trommel und einer Vihuela die sternenklare Nacht mit ihrer Musik erfüllten.
Schon beim ersten Gericht – gefüllte Rebhühner und Kapaune – wurde Hernando mit zahlreichen Fragen über die Gefangenschaft und Flucht von Don Alfonso de Córdoba förmlich belagert, aber auch mit eher vorsichtigen über die Gemahlin des Richters.
»Ich habe gehört«, beteiligte sich einer der beiden Veinticuatros am Gespräch, während er genüsslich an einem Rebhuhnflügel nagte, »dass Ihr nicht nur den Herzog und Doña Isabel, sondern auch noch andere Christen befreit habt.«
Die Frage blieb unbeantwortet, da genau in diesem Moment die Saiten der Vihuela erklangen und eine traurige Melodie spielten, bevor die anderen Instrumente wieder einsetzten. Der Klang erinnerte Hernando an die Lautenspieler bei den Festen der Morisken.
»Könnt Ihr Euch an die Namen erinnern?«, erkundigte sich der Corregidor.
»Ja, aber nicht an alle«, log Hernando. Er hatte auf diese Frage gewartet, seit er von den Gerüchten über seine vermeintliche Rettung weiterer Christen gehört hatte.
Der Veinticuatro ließ von seinem Rebhuhnflügel ab, und es herrschte plötzlich ein unangenehmes Schweigen.
»Nennt uns doch einige Personen«, bedrängte ihn der Dekan der Kathedrale.
»Ich möchte lieber keine Namen nennen.« Mit einem Mal waren die fragenden Blicke aller Tischgäste auf ihn gerichtet. Hernando räusperte sich, ehe er zu einer Erklärung ansetzte. »Einige mussten Familienangehörige und Freunde zurücklassen. Viele haben bei ihrer Flucht bitterlich geweint: Sie waren zwischen Schuldgefühlen und der Angst ums eigene Überleben hin- und hergerissen. Ich erinnere mich an einen Mann, der nach seiner Befreiung schon in Sicherheit war, dann aber doch lieber zu seinen Kindern zurückging, um mit ihnen zusammen hingerichtet zu werden.«
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