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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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die auf ihn zukamen und ihn mit ihren Fragen überhäuften.
    Sein ganzes Leben war immer gleich verlaufen, dachte er, während eine Dame in einem blauen Kleid auf ihn einsprach. Sein ganzes Leben lang war er dem Streit zwischen Christen und Muslimen machtlos ausgeliefert gewesen. Er war der Sohn eines christlichen Geistlichen, der eine Moriskin geschändet hatte. Als Junge wollten ihn die Muslime in Juviles umbringen, weil sie ihn für einen Christen hielten, und nur wenig später ernannte ihn König Aben Humeya zum Hüter des Schatzes seiner Glaubensbrüder. Kurz darauf wurde er als Christ versklavt, und er sah sich gezwungen, seine Religion zu verleugnen, um nicht als Gespiele des Korsarenanführers Barrax zu enden. In Córdoba arbeitete er als Christ getarnt für das Domkapitel und fertigte dabei unzählige Abschriften des Korans an, die Inquisition forderte von ihm, Karims Folter und Tod mit anzusehen, und jetzt – da er dieses merkwürdige, verblüffende Barnabas-Evangelium gefunden hatte – stellte sich ihm schon wieder die Kirche in den Weg und nötigte ihn zu einer erneuten Zusammenarbeit. Dabei wusste er genau, wer sein Gott war: der Einzige, der Barmherzige … Was würde Hamid nur über ihn und seine Lage denken?
    »Es tut mir leid, ich kann nicht tanzen«, entgegnete er ohne nachzudenken auf den fragenden Blick der Dame, der er offensichtlich eine Antwort schuldig war.
    Die Frau drehte ihm beleidigt den Rücken zu. Offensichtlich war das nicht die passende Antwort gewesen.
    Es wurde noch bis tief in die Nacht getanzt. Don Sancho stand verschwitzt auf der Terrasse, als die Musiker auf Geheiß von Don Ponce ihr Spiel einstellten. Nun war also auch dieser Teil der Festivität zu Ende.
    »Und zum krönenden Abschluss«, rief der Richter, »lade ich alle ein, sich das Feuerwerk anzusehen, das wir zu Ehren des Retters von Doña Isabel vorbereitet haben. Ich bitte alle Gäste auf die Terrassen und in die Gärten.«
    Don Ponce nahm seine Frau bei der Hand und ging mit ihr zu Hernando.
    »Begleitet uns doch bitte«, forderte der Hausherr seinen Ehrengast auf.
    Sie fanden einen Platz an der Balustrade, die die große Terrasse vor dem Hauptsaal einfasste. Isabel blieb hinter Hernando stehen. Dann gab jemand vom Haus aus ein Lichtzeichen, und auf einmal wurden die roten Mauern der Alhambra von einem gelben Feuer erleuchtet. Die anderen Gäste, die sich hinter ihnen drängten, ergingen sich in Lobpreisungen und Jauchzern, als plötzlich Feuerkugeln durch den Sternenhimmel zischten. Ein farbiger Blitz nach dem anderen jagte durch den Nachthimmel, und alle Anwesenden schoben sich ohne böse Absicht zur Balustrade vor, um einen noch besseren Blick auf das Spektakel erhaschen zu können. Zwischen all dem aufgeregten Drängen und Schieben spürte Hernando plötzlich Isabels warmen Körper an seinem Rücken. Das Dröhnen des explodierenden Schießpulvers vermischte sich mit Isabels warmen Atem, den sie ihm ins Ohr hauchte. Sie stand einfach da, weder suchte sie den Körperkontakt, noch vermied sie ihn. Während die Gäste verzückt das Feuerwerk bestaunten, nahm niemand Isabels dezente Bewegung wahr – nur Hernando spürte die leichte Berührung ihrer beider Hände. Er blickte sich vorsichtig um. Isabel lächelte schüchtern. Da nahm er zärtlich ihre Hand. In dem Gewirr der Gäste, die eng auf der Terrasse gedrängt standen, schlossen sich ihre Finger um seine. Sie rückten noch näher aneinander und spürten den Körper des anderen, bis ein gewaltiger Knall das Feuerwerk beendete. Die Zuschauer jubelten und applaudierten begeistert.

48
    W as ist damals in Juviles wirklich passiert?«
    Hernando stand vor dem Notar des Domkapitels von Granada in dessen Dienstzimmer in der Nähe des Archivs der Kathedrale.
    Hernando hatte schon am Morgen nach dem Fest der Bitte des Dekans Folge leisten müssen. Er war in Begleitung eines Dieners durch den Albaicín bis zur Calle de San Juan geritten. An der Ermita San Gregorio vorbei ging es zur Calle de la Cárcel direkt neben der Kathedrale, die sich wie die Kathedrale in Córdoba noch im Bau befand. Aber anders als in Córdoba wurde der neue christliche Sakralbau hier nicht auf – beziehungsweise in – der ehemaligen Hauptmoschee errichtet, sondern zunächst neben ihr: Man hatte das muslimische Gotteshaus, in dem sich bereits mehrere Kapellen und Diensträume befanden, kurzerhand zur Sakristei umgewidmet. Später würde die Moschee dann in die gerade neu entstehende große

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