Die Pfeiler des Glaubens
er sie wie ein Tier genommen hatte. »Ich werde mich dir hingeben, als wäre ich tatsächlich deine Frau. Wenn nicht, bringe ich mich um.«
»Und was ist mit deinen Kindern?«
»Sie sind in Gottes Hand«
Der Korsarenanführer überlegte.
»Einverstanden«, sagte er schließlich.
»Schwöre es bei Allah!«
»Ich schwöre es beim Allmächtigen«, beteuerte er, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, sein Versprechen zu halten.
»Ibrahim«, Fatima sprach mit fester Stimme, »dein Grinsen und deine Laune werden mir verraten, ob du dein Wort hältst oder nicht.«
Von dem Tag an hielt sich Fatima an ihren Teil der Abmachung und führte Ibrahims Begierde Nacht für Nacht zum Höhepunkt. Sie schenkte ihm zwei Töchter, und der Korsarenanführer schlief nie wieder mit seiner zweiten Frau, die abgeschieden in einem Seitenflügel des Palastes lebte. Shamir und Francisco – der Junge trug inzwischen den muslimischen Namen Abdul, und beide waren gleich nach ihrer Ankunft in Tetuan beschnitten worden – bereiteten sich darauf vor, eines Tages unter Nasis Kommando in See zu stechen. Der junge Mann übernahm bei den Geschäften des Korsaren immer mehr Verantwortung, so als wäre er Ibrahims wahrer Erbe, während dieser nur noch in die Breite ging und davon besessen war, die angehäuften Reichtümer aus seinen Raubzügen und Geschäften wieder und wieder nachzuzählen. Für Nasi war es ein Leichtes gewesen, den Platz einzunehmen, der eigentlich dem leiblichen Sohn des Korsarenanführers zugestanden hätte, denn Shamir weigerte sich nach wie vor, in Ibrahim den Vater anzuerkennen, den er nie hatte. Anfangs war er sehr verschreckt gewesen und hatte seine Mutter schrecklich vermisst. Er hatte Ibrahim seine Zuneigung verweigert und Zuflucht bei Fatima und Abdul gesucht. Aischa hatte ihm doch immer gesagt, dass sein Vater in den Alpujarras als Held umgekommen war! Ibrahim reagierte auf diese Abweisung mit der ihm eigenen Brutalität. Er riss Fatima den Jungen aus den Armen und prügelte auf ihn ein, und er verfluchte ihn, wenn er ihm entwischte. Abdul, der ebenso geschlagen wurde, war Shamirs treuer Gefährte im Unglück. Der kleinen Inés – nun Maryam – widerfuhr genau das Schicksal, das ihr Ibrahim bereits im Gasthof Montón de la Tierra vorhergesagt hatte: Sie musste seiner zweiten Frau dienen. Fatima hatte Ibrahim erst nach der Geburt ihrer ersten gemeinsamen Tochter in einer leidenschaftlichen Nacht überzeugen können: Wer, wenn nicht Maryam – die Halbschwester – könnte sich besser um Nushaima kümmern?
Ibrahims laute Schnarchgeräusche vermischten sich mit den Klagelauten aus dem Untergrund und rissen Fatima aus ihren Gedanken. Sie unterdrückte das Bedürfnis, sich zu bewegen, aufzustehen oder Ibrahims Armstumpf zur Seite zu schieben. Sie war eine Gefangene … in einem goldenen Käfig. Sie war nur eine von Ibrahims vielen Sklavinnen. Nie zuvor hatte sie mit Sklaven unter einem Dach gelebt, mit diesen Männern und Frauen, die gehorchten, die immer bereitstanden, um ihrem Herrn auch nur den geringsten Wunsch von den Augen abzulesen. Fatima hatte festgestellt, dass ihre Blicke leer waren, als hätte man ihnen ihre Seele und ihre Gefühle geraubt, sie schienen nur mehr aus Gehorsam und Unterwerfung zu bestehen.
Ibrahims neuer Palast befand sich direkt über den verwinkelten unterirdischen Kalkhöhlen des Dersa, des Bergrückens, an den sich die Stadt Tetuan lehnte. Tagsüber – wenn sie in Begleitung der Sklaven Einkäufe erledigte und zu einem der drei Stadttore ging, vor denen sich die Bauern der Umgebung einfanden, um ihre Erzeugnisse feilzubieten – sah Fatima die Gefangenen, die unter Peitschenhieben zur Arbeit angetrieben wurden: barfuß, an den Knöcheln gefesselt und nur in grobe Wollsäcke gehüllt. Etwa viertausend Christen standen der Stadt immer zur Verfügung.
Nur von Sklaven und Gefangenen umgeben, begriff sie bald, dass ihr die Spaziergänge durch die Stadt keinen Trost bieten würden.
In dieser Piratenhochburg gab es keinen Ort, der ihrer verwundeten Seele auch nur für einen Augenblick Ruhe schenkte. Gott schien sie vergessen zu haben. Nur auf einigen Plätzen der Stadt, dort, wo drei oder mehrere Straßen zusammenstießen, fand sie etwas Zerstreuung: Hier gab es Gaukler, die zum Klang der Laute sangen, Geschichten erzählten oder den Neugierigen kleine Zettel mit merkwürdigen Botschaften verkauften, die sie von allem Übel befreien sollten. Hier waren auch die
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