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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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und bekreuzigte sich, »rein und unbefleckt, ohne Sünde.«
    Sie setzten ihren Weg fort. Hernando war in Gedanken vertieft. Was würde dieser Christ sagen, wenn er wüsste, dass die Vorstellung von der Unbefleckten Empfängnis aus den Hadithen stammte, der Sammlung von Aussprüchen und Anordnungen des Propheten? Oder dass dieses Dogma, um dessen Anerkennung sie so sehr rangen, alter islamischer Tradition entsprach? Oder dass auch der Prophet gesagt hatte, dass die Jungfrau makellos sei? Und dass auch Mohammed Maryam verehrte?
    »Du wirst die Herrin der Frauen der Welten sein«, hatte Mohammed seiner Tochter Fatima verkündet, als er spürte, dass seine letzte Stunde nahte, »nach Maryam.«
    Hernando verlangsamte seine Schritte. Das war die Lösung! So könnten sie die Religionen einander annähern, um den Respekt zu erfahren, den Don Pedro und seine Freunde für die Morisken forderten.
    In den Tagen und Wochen, in denen Hernando diese Gedanken nun schon hin und her wälzte, hatte er von einer weiteren Verschwörung der Morisken in Sevilla, Córdoba und Écija erfahren: Um die unzureichende Verteidigung von Sevilla auszunutzen, hatten sie versucht, die Stadt in der Nacht vor Peter und Paul zu überfallen. Die Anführer wurden in einem Schnellverfahren hingerichtet. Zwar befand sich Abbas glücklicherweise nicht darunter, dafür aber einige andere Männer aus Córdoba. Immer diese Waffengewalt! Damit brachten sie die Christen und ihren König doch nur noch mehr gegen sich auf. Immerhin wollten sie inzwischen sogar alle Morisken kastrieren! Hatten die Gemeinschaft und der Rat denn überhaupt nichts begriffen!
    Hernando hatte eine Idee: Granada suchte händeringend nach Märtyrern und Reliquien, um aus der Stadt eine Wiege der Christenheit zu machen und sich mit den großen Wallfahrtsstätten Spaniens messen zu können: Toledo, Santiago de Compostela, Sevilla … Dann sollten sie diese auch bekommen! In einem ausführlichen Schreiben unterbreitete er Don Alonso del Castillo seinen Vorschlag.
    Wir glauben an den gleichen Gott, an den Gott Abrahams. Ihr Jesus Christus ist für uns Gottes Wort und Gottes Geist. So steht es in vielen Suren im Koran. Mohammed sagt, dass Isa ein Gesandter Gottes ist. Wissen die Christen das?
    Sie halten uns für dumme, unwissende Esel. Bislang hat sich keiner von ihnen für unsere eigentlichen Glaubensgrundsätze interessiert, und die Polemiker, sowohl auf unserer als auch auf ihrer Seite, vertiefen in ihren Streitschriften und Traktaten eher die trennenden denn die gemeinsamen Punkte. Wir alle wissen, dass die Päpste die göttliche Wesenheit von Jesus dreihundert Jahre nach seinem Tod verändert haben. Er selbst, Isa, hat sich niemals Gott oder Gottessohn genannt, er hat nichts anderes getan als wir: Er hat die Existenz eines einmaligen und einzigen Gottes verteidigt. Doch wenn die Päpste die göttliche Wesenheit von Jesus auch verfälscht haben, so widerfuhr seiner Mutter nicht das gleiche Schicksal. Vielleicht geriet sie in den Hintergrund, weil sie eine Frau war, und man beachtete sie nicht weiter. Selbst heute noch widersetzen sich die Päpste dem Flehen des Volkes, die Unbefleckte Empfängnis zum Dogma zu erheben. Es ist also Maryam, in der unsere beiden Religionen nach wie vor übereinstimmen, und vielleicht gelingt es uns, über sie unsere beiden Gemeinschaften einander anzunähern. Jeglicher Streit um Maryam betrifft nur ihren Stammbaum, nicht ihre Stellung. Wenn die Priester und das gemeine Volk, die uns derzeit für Ketzer halten, begreifen, dass wir ihre Mutter Gottes genauso verehren wie sie, überdenken sie vielleicht ihr Verhalten uns gegenüber. Die Marienverehrung ist im einfachen Volk weit verbreitet. Und wie sollten sie die Menschen hassen, die dieses Gefühl mit ihnen teilen! Vielleicht ist das der Grundstein für das gegenseitige Verständnis, nach dem wir so eifrig streben.
    Dann erst enthüllte Hernando dem Übersetzer aus Granada die Existenz der Kopie des Barnabas-Evangeliums wie eine Neuigkeit.
    Bestimmt wird man eine Schrift wie dieses Evangelium sogleich als apokryph, ketzerisch und den Grundsätzen der Heiligen Mutter Kirche widersprechend bewerten. Lasst uns damit beginnen, die Christen von unseren Glaubensgrundsätzen zu überzeugen. Lasst uns die Christen auf die Kenntnis dieses Evangeliums vorbereiten, damit wir es ihnen eines Tages zeigen können. Lasst uns zumindest erste Zweifel säen, um eine gütigere und barmherzigere Behandlung erfahren zu

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