Die Pfeiler des Glaubens
legte Hernando die kurze Strecke von der Posada del Potro zum Haus des Händlers in der Calle de la Feria mit einer gewissen Nervosität zurück. Er hielt den prall gefüllten Lederbeutel fest umklammert und überdachte noch einmal Pablos Anweisungen. Sie mussten voreinander zu sitzen kommen, damit Hernando sein Ohrläppchen sehen konnte. Hernando sollte immer große Beträge wetten, selbst wenn Pablo ihm kein Zeichen gab. Er durfte keineswegs nur dann größere Summen setzen, wenn sie scheinbar eine Glückssträhne hatten.
»Du darfst mit mir nur so viel reden wie mit den anderen«, hatte Pablo ihn gewarnt. »Und du musst mich immer genauso ansehen, wie die übrigen Spieler auch: So, als würdest du versuchen, aus meinem Gesichtsausdruck etwas über mein Blatt zu erfahren. Denk daran: Ich spiele nicht für mich, sondern für dich. Und wenn wir Glück haben, benutzen sie sogar unsere Karten, und ich kann sie wiedererkennen. Sonst kann ich dir nur mit meinem Blatt helfen. Du musst immer mit absoluter Entschlossenheit spielen, aber du darfst die anderen Spieler nie für Dummköpfe halten. Sie wissen genau, was sie tun, und normalerweise verwenden sie die gleichen Tricks wie an allen Spieltischen. Aber denk daran, es gilt ein oberstes Gebot: Die Ehre bringt diese Leute sehr schnell dazu, den Degen zu zücken. Diese Spiele sind strengstens verboten, insofern gilt das Gesetz des Schweigens. Falls also einer verletzt oder gar getötet wird …«
Ein Diener führte Hernando in einen hell erleuchteten Saal, der mit Wandteppichen, Ledertapeten und polierten Holzmöbeln prunkvoll ausgestattet war. Es gab sogar ein großformatiges Ölgemälde. Zu dem Zeitpunkt hielten sich in dem Raum acht Männer auf, die paarweise zusammenstanden und sich unterhielten. Pablo war auch anwesend.
»Meine Herren«, Pablo bat in seiner Funktion als Veranstalter die vier Männer, die neben der Tür standen, durch die sein Gefährte soeben hereinkam, um Aufmerksamkeit, »hiermit stelle ich Euch Hernando Ruiz vor.«
Ein großer, kräftiger Mann, der mit seiner edlen Kleidung seine Gäste übertrumpfte, reichte ihm als Erster die Hand.
»Juan Serna«, stellte Pablo vor, »unser Gastgeber.«
»Und, habt Ihr genügend Geld bei Euch, Señor Ruiz?«, erkundigte sich der Händler zu ihrer Begrüßung spöttisch.
»Ja …«, stotterte Hernando unter dem Gelächter von einigen Männern, die auf ihn zukamen.
»Hernando Ruiz?«, fragte in dem Moment ein alter Mann mit gebeugten Schultern, der ganz in Schwarz gekleidet war.
»Melchor Parra«, stellte Pablo den Mann vor, »Notar …«
Der alte Mann bedeutete dem Spelunkenbesitzer mit einer herrischen Geste zu schweigen.
»Hernando Ruiz«, fragte er noch einmal, »der Neuchrist aus Juviles?«
Hernando vermied es, Pablo anzusehen. Wieso wusste dieser Alte, dass er Moriske war? Würden sie ihn dennoch bei ihrer Partie zulassen?
»Du bist Neuchrist?«, fragte dann ein Spieler aus der Runde der Männer, die ihn gerade begrüßen wollten.
»Ja«, bestätigte Hernando mit lauter Stimme, »ich bin Hernando Ruiz, Neuchrist aus Juviles.«
Pablo wollte sich einmischen, aber der Händler machte sein Recht als Hausherr geltend.
»Hast du Geld?«, fragte er noch einmal, als würde ihn die Tatsache, dass sein Gast Moriske war, nicht weiter interessieren.
»Das kannst du mir glauben, Juan«, platzte der alte Notar heraus, als Hernando gerade seinen Geldbeutel vorzeigen wollte. »Er hat gerade eine Erbschaft des Herzogs von Monterreal gemacht, Gott hab ihn selig. Ich habe persönlich das Testament eröffnet und verlesen, einige Tage vor den Trauerfeierlichkeiten. Don Alfonso de Córdoba hat darin ein Vermächtnis über seinen Besitz unabhängig vom Majoratsgut festgesetzt. › Für meinen Freund Hernando Ruiz, Neuchrist aus Juviles, dem ich mein Leben verdanke ‹ , steht darin. Ich habe es genau vor Augen. Willst du dein Erbe vielleicht gleich wieder verspielen?«, fragte er zynisch.
An dem Abend konnte sich Hernando kaum auf die Partie konzentrieren. Eine Erbschaft! Was hatte es mit diesem Vermächtnis auf sich? Doch der Notar verriet ihm nicht mehr darüber, und es ergab sich keine Gelegenheit für ein Gespräch unter vier Augen. Denn mit seiner Ankunft forderte Juan Serna die Männer sofort auf, das Spiel zu beginnen. Pablo Coca saß besorgt am Tisch. Hernando schien nicht ganz bei der Sache zu sein und hatte vergessen, sich einen Platz ihm gegenüber zu suchen. Er selbst musste es nun einrichten, dass sie
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