Die Pfeiler des Glaubens
war unsicher. Er wagte nicht, Miguel zu fragen, ob dieses zarte Wesen wiederkäme oder für immer ging, aber anscheinend wusste der Junge, der auf seinen Krücken vor ihm stand, was ihm gerade durch den Kopf ging.
Miguel lächelte, sagte aber nichts.
Hernando hatte durchaus begriffen, dass er angesichts Aischas gesundheitlichen Zustandes Córdoba nicht verlassen konnte. Aber er könnte ein Haus mieten und Arbeit suchen. Er kannte sich gut mit Pferden aus. Vielleicht würde ein Adliger ihn als Bereiter oder Stallmeister anstellen oder, wenn es nicht anders ging, als Reitknecht. Warum nicht? Und wenn ihm das nicht glückte: Er konnte rechnen und schreiben. Bestimmt gab es jemanden, für den seine Dienste nützlich sein könnten. Abends würde er dann an der Abschrift des Evangeliums weiterarbeiten, das er nach wie vor zwischen den übrigen Papieren versteckt hielt, für die sich hier, anders als im herzoglichen Palast, niemand heimlich zu interessieren schien. In der Posada konnte niemand lesen.
In Gedanken versunken war er in Pablo Cocas Laden gelandet. Die schwarze Sklavin trat zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Vielleicht wusste Pablo ja von einer Unterkunft, die er mieten könnte …
»Sieh mal einer an, wer da kommt!«, begrüßte ihn der Spelunkenbesitzer, der die Gewinne der vergangenen Nacht zählte. »Ich wollte ohnehin gerade nach dir Ausschau halten.«
Hernando setzte sich zu Pablo Coca an den Tisch.
»Weißt du von irgendeinem Haus, das ich mieten könnte? Die Miete darf aber nicht zu hoch sein«, sagte er ohne Umschweife. Coca zog die Augenbrauen hoch. »Und warum wolltest du nach mir Ausschau halten?«, fragte er, als ihm klar wurde, dass er auf Pablo Cocas Begrüßung gar nicht eingegangen war.
»Warte.«
Coca schloss seine Abrechnung ab und entließ die Sklavin. Als sie allein waren, sprach er seinen Besucher vertrauensvoll an. »Heute Abend findet ein großes Spiel statt«, verkündete er.
Hernando zögerte.
»Hast du kein Interesse?«, fragte Coca überrascht.
»Nun ja … Ich glaube schon. Ich …« Hernando wusste nicht, ob er Pablo von den einhundert Dukaten erzählen sollte, die er soeben von Don Pedro erhalten hatte. Ja, er war derjenige gewesen, der auf eine Partie bestanden hatte, aber jetzt … Die einhundert Dukaten boten ihm eine gewisse Sicherheit, die ihm zuvor gefehlt hatte. Mit dem Geld konnte er die Pflege seiner Mutter bezahlen, ein Haus mieten … Er konnte doch nicht die Dukaten aufs Spiel setzen, die ihm sein Gönner geschickt hatte, damit er weiter für die Sache der Morisken arbeitete … »Ich habe einhundert Dukaten«, gestand er schließlich. »Ein Bekannter hat sie mir geliehen.«
»Dein Geld interessiert mich nicht«, war Pablos überraschende Antwort.
»Aber …«
»Ich kenne dich. In diesem Geschäft lernt man viel über die Menschen. Ich kann ihre Reaktionen fast hundert Meilen gegen den Wind riechen. Du bist zu mir gekommen und wolltest hier spielen, weil du kein Geld hattest. Jetzt hast du Geld, das du verwetten könntest, und tust es nicht. Was sagt mir das? Du bist einfach kein Zocker.« Coca bückte sich und hob etwas auf, was zu seinen Füßen lag: zwei Beutel voller Münzen, die er auf den Tisch krachen ließ. »Hier ist unser Geld«, sagte er dann. »Ehrlich gesagt, unter normalen Umständen würde ich mich niemals mit dir zusammentun, aber du bist nun mal der Einzige, der mein Geheimnis kennt und je kennen wird. Du bist der Einzige, mit dem ich das machen kann, und womöglich bist du sogar der Einzige, mit dem mich eine Freundschaft verbindet. Und heute Abend will ich sie schröpfen. Heute will ich viel Geld gewinnen. Je mehr, desto besser. Das muss heute unser Spiel werden.«
»Aber das Geld hier«, rief Hernando erstaunt. »Das ist doch ein Vermögen!«
»Ja, schon. Vergiss alles, was du hier gesehen hast. Das heute Abend ist eine andere Welt. Wenn du da anfängst, in kleinen Münzen zu zählen, fliegst du sofort auf … und ich mit dir. Hier geht es um richtige Goldmünzen. Da wechseln ganze Vermögen den Besitzer. Du musst dir einfach vorstellen, dass ein goldener Escudo dort genauso viel wert ist wie eine einfache Blanca-Münze hier. Schaffst du das?«
»Ja.«
»Es ist riskant. Aber das Wichtigste ist: Niemand darf erfahren, dass wir befreundet sind.«
Die Partie fand im Privathaus eines reichen Tuchhändlers statt, der sich nach außen hin hochmütig und besserwisserisch gab, aber zauderte, wenn es um seinen Einsatz ging.
Am späten Abend
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