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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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gehört«, versicherte Hernando. »Los, mach schon.«
    »Señor.« Hernando versuchte, die Stimme zu orten. Sie klang traurig. »Als ich Euer Diener wurde, habt Ihr gesagt, dass Ihr mich für Eure Mutter und für Euer Pferd braucht. Señora María Ruiz ist gestorben, und das Pferd … Ich kann Volador doch nicht einmal aufzäumen.«
    Hernando spürte, wie ihm heiß und kalt wurde.
    »Glaubst du wirklich, ich könnte dich vor die Tür setzen, nur weil meine Mutter tot ist?«
    Eine Weile herrschte absolute Stille, bis sie vom Klappern der Krücken durchbrochen wurde. Miguel hüpfte durch die Dunkelheit zu ihm.
    »Nein, Señor, das glaube ich nicht.«
    »Mein Pferd mag dich, das weiß ich, und das sehe ich. Und was meine Mutter angeht …«
    Hernando versagte die Stimme.
    »Ihr habt sie sehr gemocht, nicht wahr?«
    »Ja, sehr«, seufzte Hernando. »Aber sie hat mich nicht …«
    »Sie starb im Trost, Señor«, versicherte ihm Miguel. »Sie starb in Frieden. Sie hat Eure Worte gehört, seid deswegen unbesorgt.«
    Hernando versuchte im Dunkeln Miguels Gesichtsausdruck zu erkennen. Was sagte der Junge da?
    »Was meinst du damit?«, wollte er wissen.
    »Sie hat Eure Worte sehr wohl verstanden, und sie hat gewusst, dass Ihr Euer Volk nicht verraten habt.« Miguel senkte beim Sprechen den Blick zu Boden, er wagte nicht aufzusehen.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ihr müsst mir verzeihen.« Nun richtete der Junge seine ernsten Augen auf Hernando. »Ich bin nur ein kleiner Bettler. In unserem Leben geht es immer nur darum, dass wir etwas hören, dass wir etwas mitbekommen, in den Gassen, hinter den Straßenecken …«
    Hernando schüttelte den Kopf.
    »Aber ich bin treu«, beteuerte Miguel sogleich. »Ich würde Euch nie verraten, das würde ich bei einem Menschen wie Euch wirklich niemals tun! Ich schwöre es, und wenn man mir auch noch die Arme bräche!«
    Hernando war sprachlos. Woher wollte der Junge denn wissen, dass Aischa in Frieden starb?
    »Ich habe mir oft gewünscht, dass ich sterbe«, sagte Miguel, als erriete er Hernandos Gedanken. »Ich war oft einsam und krank und habe an den Türen der Menschen gebettelt. Meistens sind mir die Leute voller Verachtung aus dem Weg gegangen. Ich habe auch in so einem Zustand wie Señora María gelebt und dabei viele Seelen kennengelernt, die ebenfalls vor der Tür des Todes standen. Die einen haben Glück und gehen hindurch, die anderen müssen noch warten und leiden. Sie wusste es. Sie hörte Euch. Das versichere ich Euch. Ich habe es gefühlt.«
    Hernando fehlten immer noch die Worte. Irgendetwas an diesem Jungen weckte sein Vertrauen – er glaubte ihm. Oder war es nur sein eigener Wunsch, dass seine Mutter in Frieden verstorben war? Hernando seufzte.
    »Komm, wir gehen jetzt nach Hause, Miguel.«
    »Ich habe das überprüft.« Ephraim hob die Stimme, um deutlich zu werden. Er hatte Fatima gleich nach seiner Rückkehr in Tetuan Aischas Botschaft ausgerichtet, und die Palastherrin seufzte nur ungläubig. Der alte Jude, der seinem Sohn zur Seite stand, packte den jungen Mann am Arm, damit er sich beruhigte. »Ich habe das überprüft«, sagte Ephraim noch einmal, diesmal etwas ruhiger. Fatima war aufgebracht und ging im kostbar ausgestatteten Saal, der zum Patio führte, auf und ab. »Nach dem Gespräch mit Aischa suchte mich der Schmied aus dem Marstall auf …«
    »Abbas?«, entfuhr es Fatima.
    »Ein gewisser Jerónimo. Er hatte mir zuvor gesagt, wo die alte Frau wohnt. Anscheinend war er mir gefolgt und hatte abgewartet, bis mein Besuch bei ihr zu Ende war, um mich dann auf dem Weg mit Fragen zu bestürmen …«
    »Hast du ihm von mir erzählt?«, unterbrach ihn Fatima.
    »Nein. Ich habe ihm nur das gesagt, was ich mir für den Fall ausgedacht hatte, dass die Sache schiefgeht: Dass ich als Zahlung für eine Ladung Öl ein prächtiges, reinrassiges Araberpferd erhalten habe und dass ich Hernando damit beauftragen wolle, es zu zähmen.«
    »Und dann?«
    »Er hat mir nicht geglaubt. Er wollte unbedingt von mir wissen, was das für ein Brief war, den Aischa zerrissen und in den Guadalquivir geworfen hatte. Aber ich habe nichts verraten. Das versichere ich Euch.«
    »Was hat Abbas gesagt?«, fragte Fatima und blieb angespannt vor dem jungen Juden stehen. Ephraim hatte Aischas Zustand genau beschrieben. Er hatte von ihrer Hinfälligkeit berichtet und davon, wie sie sich altersschwach durch die Straßen schleppte. Vielleicht … vielleicht war Aischa inzwischen verrückt geworden.

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