Die Pfeiler des Glaubens
Naqsis eingegangen war, erwies sich als äußerst ertragreich, und ihre Situation als Frau hinderte sie keineswegs daran, unter den Geschäftsleuten in der Piratenhochburg eine herausragende Stellung einzunehmen. Sie war nicht die erste Frau, die in Tetuan etwas zu sagen hatte: Nicht umsonst war die erste Gouverneurin der Stadt nach der Eroberung durch die Muslime eine einäugige Frau gewesen, deren Andenken Achtung und Bewunderung erfuhr. So wie diese Frau wurde Fatima verehrt wie auch gefürchtet, und so wie diese Frau war auch Fatima auf sich allein gestellt.
IV
Im Namen unseres Herrn
Ich sage euch, die Araber sind eines der erhabensten Völker, und ihre Sprache ist eine der erhabensten Sprachen. Gott wählte sie aus, um sein Gesetz in der letzten Zeit auf sie zu stützen […] Wie mir Jesus sagte, der schon über den Söhnen Israels Vorrang hatte, wird jenen von ihnen, die ihm untreu waren […], niemals die Herrschaft gegeben. Aber die Araber und ihre Sprache werden zu Gott und zu seinem rechten Gesetz zurückkehren, und zu seinem ruhmreichen Evangelium und zu seiner heiligen Kirche in der Zeit, die da kommen wird.
Die Geschichte der Wahrheit des Evangeliums
(Die Bleibücher von Sacromonte,
herausgegeben von Miguel José Hagerty)
58
Córdoba, im Januar 1595
D er Morgen war kalt und grau, und Hernando verbreitete seit dem Aufstehen eine ebenso düstere Stimmung wie der Himmel über dem Patio. Miguel machte sich Sorgen um seinen Herrn und Freund: Hernando wirkte fahrig, mürrisch und wie von einer ungewohnten Rastlosigkeit getrieben. Dabei ritt sein Herr seit einiger Zeit regelmäßig am frühen Morgen aus und zog sich dann in aller Ruhe in die Bibliothek im Obergeschoss zurück, in der die zahlreichen Bücher, Papiere und Schriften noch größere Haufen bildeten als das Herbstlaub im Innenhof.
Die wachsende Unruhe, die Miguel an seinem Herrn in diesen Tagen bemerkte, rührte daher, dass Hernando – mittlerweile einundvierzig Jahre alt – nach sieben langen Jahren endlich kurz vor dem Höhepunkt seiner Arbeit stand. Sieben Jahre unermüdlichen Forschens und Nachdenkens. Sieben Jahre, die er seiner Mission des friedlichen Miteinanders der beiden großen Religionen gewidmet hatte. Er wollte die Einstellung der Christen zu seinem von ihnen so verachteten Volk, das acht Jahrhunderte lang die spanischen Reiche beherrscht hatte, radikal verändern. Hernando hatte sogar Latein gelernt, um bestimmte Texte lesen zu können. Von den Spieltischen hielt er sich gänzlich fern, und das Hurenhaus besuchte er nur noch selten.
»Ja! Die sieben apostolischen Männer!«, hatte er vor einigen Tagen unvermittelt im Patio ausgerufen und damit Miguel überrascht, der mit den Abgrenzungen der Beete beschäftigt war, in denen im Frühling die Blumen blühen sollten. »Wenn ich diese Legende als Ausgangspunkt nehme, dann passt alles zusammen, sogar die Geschichte vom heiligen Caecilius, die mir Castillo berichtet hat!«
Der Junge, der von Hernandos Bestrebungen wusste, seit dieser sie Aischa kurz vor ihrem Tod offenbart hatte, stand den Plänen seines Herrn und Freundes gleichgültig bis skeptisch gegenüber.
»Señor«, hatte er ihm bei einem ihrer Gespräche entgegengehalten, »welchem Gott kann ich denn noch vertrauen? Egal, ob es der eine oder der andere ist, Gott lässt zu, dass Kindern die Beine gebrochen werden, damit sie mehr Geld einbringen!«
Dennoch hatte Hernando in Miguel einen Gesprächspartner gefunden, mit dem er sich über seine täglichen Zweifel oder Erfolge austauschen konnte. Und er musste mit jemandem über seine Arbeit reden – denn seine Mitstreiter Don Miguel de Luna, Don Alonso del Castillo und Don Pedro de Granada Venegas waren zu weit weg.
»Und wer sind diese sieben apostolischen Männer?«, fragte Miguel angesichts des freudigen Ausrufes seines Herrn gelangweilt, nur um ihm einen Gefallen zu erweisen. Ihm war heute nicht nach einem Streitgespräch zumute.
»Es gibt eine Legende«, erklärte Hernando aufgeregt, »nach der Petrus und Paulus sieben Apostel zum Missionieren nach Spanien schickten: Torquatus, Ctesiphon, Indaletius, Secundus, Euphrasius, Caecilius und Hesychius. Von vier dieser Missionare fand man Reliquien, die heute an verschiedenen Orten verehrt werden. Aber, weißt du was?«
Hernando legte eine Pause ein.
»Was denn, Señor?«, erwiderte Miguel halbherzig.
»Zu den drei apostolischen Männern, die noch gefunden werden müssen, gehört der heilige Caecilius, von dem man mit
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