Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
Vom Netzwerk:
einigen Jahren, man wartete mit dem Innenausbau und der Ausstattung bis zur Fertigstellung der Kuppel. Die Christen legten ihrem Gott gegenüber ein nachlässiges Verhalten an den Tag. Die Bischöfe und Könige lebten lieber in Saus und Braus und verprassten das Geld für ihre Ausschweifungen, statt damit ihre Kirchen auszustatten.
    Oh, ihr, die ihr glaubt , meinte er bei seiner Ankunft am Mihrab durch den Gipsputz lesen zu können, mit dem die Christen Allahs Wort verdecken wollten. Die kufischen Inschriften auf dem Kranzgesims vor dem heiligen Ort enthielten den Beginn einiger Verse der fünften Sure. Hernando rezitierte stumm weiter: Wenn ihr euch zum Gebet aufstellt …
    Nun, beim Beten, wurde ihm alles klar, so als wollte Gott seine Hingabe belohnen: Die Wahrheit, die Offenbarung, war hier in den edlen, harten Marmor gemeißelt und lag unter einem simplen Gipsputz, der bei der leichtesten Berührung zerfiel! Die einzige Wahrheit, die Vorrangstellung des Islam, war bloß hinter den Worten und Machenschaften der Päpste und der christlichen Geistlichen versteckt. Mit dem Fund des Stummen Buches käme diese Wahrheit genauso plötzlich ans Licht, wie wenn der brüchige Gipsputz plötzlich abfiele, der das offenbarte Wort im Mihrab der Moschee von Córdoba verbarg. Dann lenkte er den Blick auf jene Doppelbogen, die sich über die einfachen Bogen spannten, die sich ihrerseits auf schlanke Marmorsäulen stützten: Die Macht Gottes erreichte die Gläubigen unmittelbar, anders als bei den Christen, die stets auf die Sicherheit fester Fundamente angewiesen waren. Die Kraft des göttlichen Willens berührte auch so einfache Gläubige wie ihn! Beglückt über diese wunderbare Gewissheit, füllte er seine Lungen und unterdrückte zugleich die Rufe, mit denen er zum einzigen Gott beten wollte, er presste die Lippen zusammen, damit nicht einmal ein Flüstern zu vernehmen war.
    An ebendiesem Tag gingen zwei Schatzsucher am Berg Valparaíso vor Granada ihrer Arbeit nach. Wie viele andere im Königreich waren auch sie auf den wertvollen Besitz aus, den die Morisken bei ihrer Vertreibung in der Eile zurückgelassen hatten. In einer Höhle oberhalb vom Albaicín entdeckten sie eine merkwürdige, für ihre Zwecke unbrauchbare Bleiplatte mit einer kaum entzifferbaren lateinischen Inschrift.
    Der Fund, der für die beiden beutegierigen Männer wertlos war, gelangte in die Hände der Kirche. Diese übergab ihn einem Jesuiten, der zu dem Schluss kam, dass dies ein wahrhaftiger Schatz war: Die Inschrift besagte, dass die hier bestattete Asche dem Märtyrer Mesitón gehörte, der unter Kaiser Nero hingerichtet worden war und dessen sterbliche Überreste niemals entdeckt worden waren. Erzbischof Don Pedro de Castro befahl, die gesamte Asche sofort einzusammeln und die Höhle genauestens zu durchsuchen. Noch im März desselben Jahres wurde eine zweite Bleiplatte gefunden, die von der Grablegung des heiligen Hesychius berichtete, sowie mehrere verbrannte menschliche Knochen. Vor Ende des Monats tauchten die Platten mit den Schriften Über die Grundlagen der Kirche und Über das Wesen Gottes auf. Am 30. April, inmitten der Karwoche, in der die fromme Bevölkerung von Granada voll Inbrunst den Kreuzweg Christi am eigenen Leib nachvollzog, stieß ein Mädchen namens Isabel auf eine Platte, die das Martyrium des heiligen Caecilius belegte, des Patrons von Granada und ersten Bischofs der Stadt. Neben der Platte fanden sich die so ersehnten und gesuchten Reliquien des Heiligen.
    Ganz Granada fiel in einen einzigen religiösen Freudentaumel.
    Miguel bemerkte an Hernando nach dessen Besuch in der Mezquita eine erfreuliche Veränderung. Sein Herr lächelte wieder, und seine blauen Augen hatten das gewohnte Strahlen. Miguel musste unbedingt mit ihm sprechen, denn Rafaelas Lage spitzte sich immer weiter zu: Ihr Vater stand kurz davor, mit einem der zahlreichen Klöster der Stadt einen Vertrag über ihre Aufnahme abzuschließen.
    Eines Nachmittags schleppte sich Miguel nach dem Essen mühsam die Treppe zur Bibliothek im ersten Stockwerk hinauf, wo er seinen Herrn und Freund in kalligraphische Übungen vertieft antraf.
    »Señor, ich möchte schon seit einiger Zeit mit dir reden.« Miguel war an der Tür stehen geblieben, für ihn glich dieser Raum einem Heiligtum. Er wartete, bis Hernando zu ihm aufsah.
    »Ist etwas passiert?«
    Miguel räusperte sich und humpelte ins Zimmer.
    »Kannst du dich noch an das Mädchen erinnern, von dem ich dir erzählt

Weitere Kostenlose Bücher