Die Pfeiler des Glaubens
dass du noch lebst , schrieb er mit zitternder Hand. Als er seinen Brief schließlich beendet hatte, entschied er, Munir zu bitten, ihn Fatima zu übermitteln – trotz ihres unterkühlten Abschieds. Der Alfaquí war ein heiliger Mann, er würde ihm helfen. Zudem brachen die meisten Morisken von Valencia aus zu den Barbareskenstaaten auf. Er brauchte Munirs Hilfe! Hernando schrieb noch einen weiteren Brief, in dem er den Alfaquí um diesen Gefallen bat.
Als Miguel sich wieder einmal in Córdoba aufhielt, rief er ihn zu sich. Er musste Hernando einen Maultiertreiber vermitteln, dem man vertrauen konnte. Die Morisken in Córdoba behandelten ihn nach wie vor wie einen Aussätzigen, und er hatte längst alle Kontakte zu den Maultiertreibern verloren. Miguel hatte wegen der Käufe und Verkäufe, die er im Zusammenhang mit den Pferden tätigen musste, viel mit ihnen zu tun.
»Dieser Brief muss so schnell wie möglich nach Jarafuel«, wies er Miguel mit einem unnötig schroffen Tonfall vom Schreibtisch aus an. Der junge Mann stand auf seine Krücken gestützt vor dem Tisch und überlegte, was wohl in seinen Herrn gefahren war. Zuvor hatte ihm Rafaela ihre Sorgen anvertraut. »Worauf wartest du noch?«
»Ich kenne da eine Geschichte über einen Kurier, der schlechte Nachrichten überbringt«, antwortete Miguel. »Soll ich sie dir erzählen?«
»Mir ist nicht nach Geschichten zumute, Miguel.«
Das Klacken der Krücken auf den Holzbohlen der Galerie schmerzte in Hernandos Ohren. Und jetzt? Er strich über die bereits vollendeten Seiten seiner Koranabschrift. Aber er war nicht in der Stimmung, daran weiterzuarbeiten. Er blickte aus dem Fenster und summte bedrückt einige Suren vor sich hin.
»Es kommt mir so vor, als hätte er mit allem abgeschlossen«, sagte Rafaela und sah Miguel aus ihren verweinten Augen an.
»Gib ihn nicht auf«, ermutigte er sie. »Kämpfe um ihn und um dich.«
Rafaela hatte Hernando tagelang nicht zu Gesicht bekommen. Sie überlegte, ihm das Essen in die Bibliothek zu bringen und ihn einfach anzusprechen. Doch noch bevor es dazu kam, gab Hernando ihr die Anweisung, ihm das Essen vor die Tür zu stellen. Zudem hatte er um eine Schüssel mit sauberem Wasser für seine rituellen Waschungen gebeten, die er nach dem Gebrauch auf die Galerie zurückstellte. Rafaela achtete den ganzen Tag auf jedes mögliche Türgeräusch, um ihm sofort frisches Wasser zu bringen. Fünfmal am Tag.
Was war nur mit ihm los? Sie schleppte sich keuchend die Treppe hinauf. Diese Schwangerschaft machte ihr weit mehr zu schaffen als die vorausgegangenen. Als sie an der Bibliothek vorbeikam, fiel ihr auf, dass die Tür offen stand.
Hernando saß hinter seinem Schreibtisch. Er folgte mit einem Finger den Buchstaben im Koran, während er auf Arabisch die Suren intonierte – allem entrückt. Rafaela blieb stehen und wagte nicht, diesen magischen Moment zu stören. Als Hernando schließlich ihre Anwesenheit spürte und sich zu ihr umdrehte, sah er sie im Türrahmen stehen. Ihr Gesicht war verheult, und sie umklammerte mit beiden Händen den gewölbten Bauch.
»Warum behandelst du mich so? Sag mir doch, was mit dir los ist«, flüsterte Rafaela. Dann versagte ihr die Stimme.
Hernando nickte.
»Vor mehr als zwanzig Jahren …«, setzte er an. Doch warum sollte er mit ihr darüber sprechen? Er hatte ihr nie selbst von Fatima und seinen Kindern erzählt. Seine Frau wusste nur durch Miguel von ihnen. »Du hast recht«, räumte er schließlich ein. »Das hast du nicht verdient. Es tut mir leid. Die Vergangenheit hat mich eingeholt.«
Diese Worte endlich ausgesprochen zu haben, war für Hernando eine große Befreiung. Sein Brief an Fatima lag bereits in Miguels Händen. Wer konnte wissen, wozu er führen und wie Fatima darauf antworten würde – wenn sie überhaupt antwortete? Rafaela trocknete sich die Tränen mit dem Handrücken, während sie mit der anderen Hand ihren Bauch stützte.
Beim Anblick seiner schwangeren, verzweifelten Frau begriff Hernando endlich: Ja, er hatte bei Fatima versagt, und von dieser Schuld würde er niemals befreit … Aber den gleichen Fehler würde er kein zweites Mal begehen.
Hernando stand langsam auf, ging um den Schreibtisch herum zu seiner Frau und verschmolz mit ihr in einer innigen Umarmung.
Trotz seiner Bemühungen, seine Sorgen vor Rafaela zu verbergen, musste Hernando unentwegt an die Worte seines Sohnes denken. Rafaela wandte sich wieder ihren alltäglichen Arbeiten zu, als hätte es die
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