Die Pfeiler des Glaubens
Reise gelitten hatten, erkundigte sich höflich, ob dies das Haus von Hernando Ruiz sei. Rafaela bejahte die Frage und schickte Juan los, um seinen Vater zu benachrichtigen. Hernando eilte sofort zur Tür.
»Friede sei mit Euch«, begrüßte er den Fremden in der Annahme, es handle sich um einen Pächter oder einen Interessenten für ein Pferd. »Was wünscht Ihr?«
Ephraim zögerte eine Weile, ehe er sprach. Er war erleichtert, Hernando diesmal anzutreffen.
»Friede sei mit Euch«, grüßte der Jude zurück und sah den Hausherrn eindringlich an.
»Was wünscht Ihr?«, fragte Hernando noch einmal.
»Wäre es möglich, dass wir unter vier Augen miteinander sprechen?«, entgegnete der Mann mit eigenartigem Akzent.
In dem Moment begriff Hernando, dass der Fremde nicht wegen der Pferde hier war.
»Kommt herein.«
Sie ließen den Eingangsbereich hinter sich und durchquerten den Patio in Richtung Treppe. Sie stiegen zur Bibliothek hinauf, und Hernando bemerkte, dass der Fremde dort voll Bewunderung die Bücherreihen betrachtete, die seinen wertvollsten Besitz darstellten.
»Ich beglückwünsche Euch«, sagte der Jude mit Blick auf die Regale und nahm vor dem Schreibtisch Platz. Hernando nickte, und die beiden Männer schwiegen eine Weile. »Fatima schickt mich, Eure Gemahlin.«
Hernando erstarrte.
»Meine Auftraggeberin möchte wissen, wie es Euch geht«, sprach Ephraim weiter. »Viele Gerüchte gelangen nach Tetuan, doch sie weigert sich, sie zu glauben – es sei denn, Ihr selbst bestätigt sie. Außerdem müsst Ihr unbedingt wissen, dass ich vor über fünfzehn Jahren schon einmal hier in Córdoba war und versuchte, Euch zu finden. Damals hatte mich ebenfalls Eure Gemahlin …«
»Wie geht es ihr?«, unterbrach ihn Hernando.
Ihr Gespräch zog sich über den gesamten Tag hin. Hernando erzählte dem Mann ohne irgendwelche Ausflüchte und Auslassungen aus seinem Leben. Er berichtete ihm sogar von seinem Liebesabenteuer mit Isabel! Zum ersten Mal überhaupt sprach er in aller Offenheit darüber. Er rechtfertigte sein Auftreten als Christ, andererseits bekannte er seinen Fehler, es in mancher Hinsicht übertrieben zu haben. Warum hatte er bei jener Prozession unbedingt ein Kreuz schultern müssen?
»Meine Mutter würde noch leben, wenn ich auf dieses Schauspiel verzichtet hätte«, bekannte er mit belegter Stimme.
Dann erläuterte er dem Juden den Plan mit den Bleibüchern.
»Shamir«, stellte er fest, »hat behauptet, dass das einfache Volk keinen Nutzen davon haben wird. Vermutlich hat er sogar recht.«
»Aber vielleicht wird dieses Evangelium, von dem Ihr sprecht, eines Tages doch noch an die Öffentlichkeit gelangen.«
»Vielleicht«, seufzte Hernando, »aber ich weiß nicht, wie lange wir noch so weiterleben können. Wirklich, wir werden behandelt wie Pestkranke. Die Christen hassen uns zutiefst, und kein einziger muslimischer Herrscher hat uns jemals unterstützt. Wir sind ein Volk, das immer Hoffnung am Horizont zu sehen glaubt – eine Flotte der Türken oder aus Algier –, die aber niemals erfüllt wird.«
Ephraim widerstand der Versuchung, sich auf eine Diskussion einzulassen. Wie Pestkranke? Ja, auch seinem Volk war es so ergangen, in Spanien und in allen anderen Reichen Europas. Die Juden hatten aber nicht einmal Anlass zum Horizont zu blicken: Niemand würde ihnen zu Hilfe kommen. Aber er schwieg, sein Auftrag war ein anderer. Fatima hatte ihm genaue Anweisungen erteilt: Er sollte selbst Hernandos Worte und Verhalten beurteilen. Er sollte selbst vor Ort entscheiden ob er dem Mann, der ihn betroffen ansah, ihre Botschaft übermittelte oder ob er unverrichteter Dinge heimreiste. Fatima setzte ihr ganzes Vertrauen in ihn. Und der Jude hatte sich entschieden.
Er übermittelte Hernando Fatimas Botschaft.
»Tod verheißt ewige Hoffnung.«
Ephraim war überrascht, als Hernando seine blauen Augen auf ihn richtete – so wie kurz zuvor dessen Sohn Abdul, der ihn aufgesucht und gewarnt hatte, dass er Fatima unter keinen Umständen dabei helfen dürfe, mit dem »verdammten Verräter« in Verbindung zu treten. Es waren in der Tat die gleichen Augen, aber zwischen ihren Blicken lagen Welten. Die Augen des Korsaren funkelten vor Hass und Verbitterung, bei Hernando hingegen konnte er unendliche Trauer erkennen.
Wie oft hatte Fatima bereits in den Tod vertraut, um Hoffnung zu schöpfen? Und warum jetzt wieder?
»Eure Gattin ist eine Gefangene in ihrem eigenen Haus«, erklärte Ephraim, als könnte er
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