Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
Vom Netzwerk:
aneinandergebundenen Tiere setzten sich nur zögerlich in Bewegung.
    »Los! Lauft schon, meine Schönen!«
    Zunächst kamen die Pferde nicht voran, schließlich waren sie es nicht gewöhnt, sich so eng nebeneinander und noch dazu aneinandergefesselt zu bewegen. Die hinteren Tiere schlugen aus und versuchten sich aufzubäumen, sie bissen einander in die Hälse und wollten nicht vorwärts. Da überfielen Hernando erste Zweifel. Ob er in seinem Alter zu so etwas überhaupt noch in der Lage war?
    »Los! Auf!«
    »Los!«, hörte er hinter sich.
    Amin hatte ein loses Seilende genommen und peitschte damit den hinteren Pferden die Kruppen. Sofort trieb auch Laila die Tiere an, zunächst noch vorsichtig, dann genauso entschlossen wie ihr Bruder.
    Ja, seinen Kindern würde es gelingen! Ihre Anfeuerungsrufe brachten ihn zum Lächeln.
    Wie ein unaufhaltsames Heer setzten sich endlich alle Tiere in Bewegung. Hernando befürchtete, die Herde nicht kontrollieren zu können, doch seine Kinder liefen geschickt hin und her, bald waren sie hinten, bald an den Flanken. Tüchtig trieben sie die Tiere an und hielten sie tatsächlich zusammen.
    »Vorsicht! Aus dem Weg!«, schrie Hernando immer wieder.
    Auch die Kinder riefen und warnten die Leute. Die Morisken sprangen entsetzt zur Seite. Die Pferde trampelten über die Gegenstände am Boden und fegten Zelte um. Die Leute beschwerten sich und beschimpften sie. Als die Pferde sogar durch ein kleines Feuer stiegen, begriff Hernando, dass die Tiere inmitten all der Menschen wie blind waren: Unter anderen Umständen hätten sie das nicht getan, nie im Leben hätten sie sich über ein Feuer hinweggesetzt.
    »Vorsicht!«
    Mit aller Kraft musste er an den langen Stricken in seiner Hand zerren, damit die vorderen Pferde langsamer wurden und eine alte Frau noch rechtzeitig zur Seite springen konnte, um nicht totgetrampelt zu werden.
    Plötzlich konnte Hernando in einiger Entfernung den Wachposten sehen, wo die Soldaten verdutzt auf den Aufruhr blickten.
    »Es geht los! Flieht!«, rief er seinen Kindern zu.
    Hernando musste nicht viel machen. Allein die freie Fläche vor ihnen – zwischen den Hütten der Soldaten und dem Lager der Morisken – ließ die Tiere ihre Schritte beschleunigen und bald in einen wilden Galopp fallen. Hinter ihnen lief Hernando zunächst noch neben dem ungefesselten Pferd her, griff dann aber mit der freien Hand in dessen Mähne und wollte aufspringen, während die Wachsoldaten – noch starr vor Schreck – den immer schneller auf sie zurasenden Pferden entgegenblickten. Beim ersten Versuch gelang es Hernando nicht, seine Muskeln waren noch zu steif, sein rechtes Bein kam nur halb über die Kruppe, aber als er erneut den Boden unter den Füßen spürte, stieß er sich mit aller Kraft ab und saß schließlich auf. Er hielt die Enden der langen Stricke, die an den Beinen der beiden vorderen Pferde festgebunden waren, fest in der Hand und ritt hinter den anderen her, die vergeblich versuchten auseinanderzustürmen. Hernando feuerte sein Pferd an und ritt neben die aneinandergebundenen Tiere. Die Soldaten beobachteten entsetzt, wie eine beeindruckende Walze aus wild schnaufenden Pferdekörpern im Galopp auf sie zudonnerte: eine Herde irrer Tiere. Sie würden jeden Moment über sie hereinbrechen!
    »Allahu akbar!«
    Hernando hatte seinen Lobpreis zu Gottes Ehren noch nicht einmal beendet, da zog er heftig an den langen Stricken und lenkte sein Pferd von der Herde weg, wohl wissend, was nun geschehen würde: Die beiden vorderen Tiere torkelten, stießen gegeneinander, fielen auf den Rücken, überschlugen sich – und brachten die ganze, wild wiehernde Herde zu Fall. Im Licht der Fackeln konnte Hernando die Panik in den Gesichtern der Soldaten erkennen, als die Tiere gegeneinanderstießen und gleich darauf auf die Männer und ihre Hütten stürzten.
    Im selben Moment ritt Hernando im gestreckten Galopp aus El Arenal hinaus, hinter ihm lag die geschlagene Wachmannschaft.
    Er saß ab und rannte zum Gebüsch am Ufer. Das Wiehern der Pferde und die wütenden Rufe der Männer schallten noch immer durch die Nacht.
    »Rafaela? Amin?«
    Es dauerte einen endlos langen Moment, bis Hernando eine Antwort vernahm.
    »Hier.«
    In der Dunkelheit hörte er die Stimme seines Erstgeborenen.
    »Wo ist deine Mutter?«
    »Hier«, antwortete Rafaela in einiger Entfernung.
    Beim Klang ihrer Stimme blieb ihm fast das Herz stehen. Sie hatten es geschafft!

69
    S ie flüchteten nach Granada, wohl

Weitere Kostenlose Bücher