Die Pfeiler des Glaubens
an die Wand. »Ich bleibe hier. Aber ihr müsst fliehen.«
»Aber wenn wir fliehen«, fiel Fatima ein, »dann wird Ibrahim dich umbringen!«
»Mutter, komm mit uns!« Aischa schüttelte den Kopf, Tränen traten in ihre Augen. »Mutter«, bat Hernando sie nochmals sanft und ging zu ihr.
»Ich weiß nicht, ob Ibrahim mich umbringen wird, wenn ihr nicht mehr bei mir seid«, flüsterte Aischa mit erstickter Stimme. »Aber ich werde lebendigen Leibes sterben, wenn ihr es nicht tut. Ich würde es nicht ertragen … Bitte, ich flehe euch an, flieht. Geht nach Sevilla oder nach Valencia … Oder nach Aragonien! Lasst diesen ganzen Irrsinn hier hinter euch. Ich habe noch mehr Söhne, und sie sind Ibrahims Söhne. Vielleicht … Vielleicht verprügelt er mich nur. Er kann mich doch nicht umbringen! Ich habe doch nichts Böses getan! Das Gesetz verbietet es ihm. Er kann mich wohl kaum für eure Tat bestrafen.«
Hernando wollte sie umarmen. Aischa richtete sich auf und wehrte ihn ab. Ihre Stimme hatte sich wieder gefestigt.
»Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich deine Brüder im Stich lasse. Sie sind klein. Sie brauchen mich.«
Hernando wurde allein bei der Vorstellung, was der zornige Ibrahim seiner Mutter antun könnte, ganz elend zumute. Aischa sah Hilfe suchend zu Fatima.
»Komm, wir gehen«, sagte Fatima entschieden. Sie stieß Hernando aus der Küche, aber bevor sie ging, drehte sie sich noch einmal um und sah zu Aischa, die sich um ein aufmunterndes Lächeln bemühte. »Bereite du schon alles vor!«, drängte sie Hernando. »Schnell!« Sie musste ihn förmlich wachrütteln, er konnte seinen Blick einfach nicht von Aischa lösen. »Ich kümmere mich um Humam.«
Alles vorbereiten? Er sah, wie Fatima Humam in den Arm nahm. Was sollte er vorbereiten? Wie sollten sie bis nach Aragonien kommen? Und was würde aus seiner Mutter?
»Hast du nicht gehört?«, bestürmte ihn nun Aischa. »Verschwinde! Verstehst du denn nicht? Zuerst wird er dich umbringen. Mein Sohn, wenn du eines Tages selbst Kinder hast, wirst du meine Entscheidung verstehen. Jetzt geh endlich!«
»Mehr konnte ich mir nicht wünschen, aber mit weniger konnte ich mich nicht zufriedengeben.« Ibrahim gefiel der Leitspruch des neuen Königs, den er vor dem sicheren Tod bewahrt hatte und der ihn nun im Gegenzug zu einem mächtigen Mann machte. Vor allem aber freute er sich darüber, was der Spruch für ihn selbst bedeutete.
Hernando nahm gerade im schwachen Schein der Laterne das Geld im Kellerraum an sich, das von den dreihundert Dukaten des Händlers übrig geblieben war. Er brauchte es jetzt dringender als der tote Aben Humeya. Plötzlich hörten er und Salah die Schreie von Soldaten, die ins Haus eindrangen. Hernando und Salah rührten sich nicht von der Stelle. Oben herrschte einige Augenblicke lang Stille, dann hörten sie die Schritte der Männer, wie sie die Treppe zur Schatzkammer herunterpolterten.
Die leicht geöffnete Tür wurde aufgestoßen, und fünf Männer stürmten mit gezückten Schwertern in den Kellerraum. Ihr Anführer wollte gerade etwas sagen, als es ihm angesichts des Berges aus sakralen Gegenständen die Sprache verschlug.
Nun lagen die Kruzifixe, die kostbaren Priestergewänder und die Marienfigur zusammen mit all den anderen wertvollen Gegenständen vor Aben Aboo auf dem Boden. Daneben saßen Hernando und Salah – beide waren gefesselt –, hinter ihnen Fatima und Aischa. Im Gegensatz zu Aben Humeya hielt sich der neue König an keine protokollarischen Vorschriften: Er ließ sich von Ibrahim gleich vor Ort alle Einzelheiten berichten, mitten in Laujar de Andarax, umgeben von einem Trupp Türken und einigen Hauptleuten.
Salah jammerte und suchte nach einer Entschuldigung. Ibrahim versetzte ihm einen heftigen Schlag mit dem Kolben seiner Arkebuse. Hernando sah Aben Aboo tief in die Augen, der seit dem Hochzeitsfest in Mecina noch mehr in die Breite gegangen war. In den Fenstern und Balkonen der weiß getünchten Häuser lehnten neugierige Frauen und Kinder.
»Ist das die Frau, von der du so viel gesprochen hast?«, fragte der König und zeigte auf Fatima. Ibrahim nickte. »Sie ist dein.«
»Ich werde sie heiraten«, rief Hernando verzweifelt. »Ibn Umayya …« Eigentlich erwartete er einen Schlag, aber sie ließen ihn ungestraft ausreden: »Ibn Umayya hat mir ihre Hand versprochen, und wir werden heiraten.«
Alle Augen waren auf ihn gerichtet.
»Das Gesetz sagt … Das Gesetz sagt, dass sie als Witwe bei einer Heirat
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