Die Pfeiler des Glaubens
– auf Leben und Tod. Er ließ den Soldaten, die sich unter seiner Standarte am Kampf beteiligten, freie Hand und gestattete ihnen, den Feinden alle Reichtümer, Tiere und Sklaven abzunehmen.
Im Dezember gestattete König Philipp II. seinem Halbbruder Don Juan de Austria, Monate nach dessen Ernennung zum Generalkapitän der Meere, sich an den Kämpfen zu beteiligen. Letzterer stellte daraufhin zwei mächtige Heere auf, die die Morisken in die Zange nehmen sollten: Er wollte das Heer befehligen, das vom Almanzora-Ufer im Osten kommen sollte, das andere würde vom Westen – also von den Alpujarras aus – unter dem Befehl des Herzogs von Sesa angreifen. Der Marquis von Los Vélez sollte als dritte Streitmacht seine kleineren Truppen auf eigene Faust befehligen.
Nach der Kapitulation von Órgiva griff Aben Aboo die Orte Almuñécar und Salobreña an, wo sein Heer vernichtend geschlagen wurde. Danach verteilte er seine Truppen strategisch über das gesamte Gebiet der Alpujarras, damit sie sich mit dem Feind kleinere Scharmützel lieferten, während sie auf die Hilfe der Osmanen warteten. Doch diese Hilfe kam nicht, und der Herzog von Sesa marschierte mit seinem Heer in die Alpujarras ein und eroberte ein Dorf nach dem anderen, während Don Juan mit seinen Streitkräften die muslimische Bevölkerung im Westen des Landes gnadenlos auslöschte.
Die hohen Verluste, die zunehmende Hungersnot und die Kälte in den mittlerweile wieder verschneiten Bergen raubte vielen Morisken und ihren Verbündeten von der anderen Seite der Meerenge den Mut.
Hernando spürte bei der Niederlage von Salobreña eine gewisse Genugtuung. Als der Burgvogt Don Diego Ramírez de Haro ihren Angriff abwehrte, flüchteten die Morisken in die Berge. Der König, Ibrahim, Barrax und die übrigen Anführer waren nur noch auf ihre eigene Flucht bedacht, und Hernando nutzte die allgemeine Verwirrung, um mit Jusufs Hilfe durch die Menschenmenge zu seinem Maultier zu gelangen. Neben der Alten stand zu seiner Überraschung das Maultier, das mit den Kleidern und den Luxusgütern der Liebhaber des Korsarenanführers beladen war. Es herrschte ein einziges Stoßen und Kreischen, niemand sah sich um, niemand gab auf ihn acht. Er könnte es versuchen. Warum nicht? Er sah die beiden jungen Männer in ihren leuchtenden Seidengewändern in dem Gedränge hin und her irren: Sie suchten ihr Lasttier. Was würden sie wohl machen, wenn …?
Hernando bedeutete Jusuf aufzupassen. Während die Jünglinge keuchend und völlig aufgelöst auf sie zukamen, lockerte er bei dem Lasttier der beiden die Gurte der Packtaschen und löste den Brustriemen. Als Ubaid das Zeichen zum Aufbruch gab und die Maultierkolonne sich in Bewegung setzte, glitten die schwer beladenen Taschen vom Rücken des Tieres und kippten zur Seite. All der niedliche Zierrat fiel nach und nach auf den Boden, und die Gespielen begannen verzweifelt, ihre Habseligkeiten wieder einzusammeln. Sie hatten bald ihre hübschen Pantoffeln verloren, die einige vorwitzige Jungen lachend aufhoben, um mit ihnen zu spielen, und je weiter sie in der Kolonne zurückfielen, desto mehr Frauen und Kinder interessierten sich für die kostbaren Kleider und den schimmernden Tand am Boden. Wie Leuchtfeuer huschten die beiden in ihren flatternden Gewändern immer schneller zwischen den Flüchtenden hin und her und flehten Ubaid an, auf sie zu warten. Der bemerkte den Vorfall zwar, hielt die Kolonne aber nicht an. Immerhin flüchtete das gesamte Moriskenheer gerade vor den Christen in Richtung Berge.
Jusuf sah zwischen Hernando, der gefesselt, aber zufrieden auf der Alten thronte, und den panischen Jünglingen hin und her – und grinste.
Niemand half ihnen.
Als Hernando einen letzten Blick auf die Gespielen des Korsarenanführers werfen konnte, hatten sie den Anschluss an den Tross längst verloren: Dreckig und barfuß standen sie in Tränen aufgelöst im Niemandsland zwischen der Nachhut des Moriskenheeres und der Vorhut der christlichen Streitkräfte.
»Sie sind geflohen«, erklärte Ubaid dem aufgebrachten Barrax, als sie Ugíjar erreicht hatten. Einige Schritte entfernt verfolgten Hernando und Jusuf ihr Gespräch. Barrax packte den Maultiertreiber aus Narila und riss ihn brutal in die Höhe. Er knurrte und fletschte seine Zähne gefährlich nah vor dessen Nase.
»Es stimmt: Sie sind geflohen«, sagte Hernando. Barrax drehte sich ruckartig zu ihm um, ohne jedoch den Maultiertreiber loszulassen. »Wundert dich das, alter
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