Die Pfeiler des Glaubens
brauche, am besten Hirschhorn. Und bring mir einen Stößel und einen Topf. Außerdem brauche ich etwas zum Feuermachen.«
»Wie soll ich denn an Horn kommen?«, fragte ihn der Junge.
»Geh zu den Arkebusenschützen. Viele führen das Schießpulver in Hörnern bei sich. Außerdem brauche ich dünnes Kupferblech, Verbandszeug, frisches Wasser und Tücher. Los, lauf schon!«
Kurz darauf bearbeitete Hernando die Spitze eines Hirschhorns mit dem Stößel.
»Barrax hat gesagt, ich soll bei dir bleiben und helfen«, berichtete der Junge, als Hernando ihn fragend ansah.
»Gut, dann mach mit dem Horn weiter. Es muss fein wie Staub werden.«
Jusuf machte sich an die Arbeit, und Hernando entkleidete den fast bewusstlosen Adligen. Er reinigte die Wunde und legte ihm feuchte Tücher auf die Stirn. Nachdem Jusuf die Geweihspitzen zermahlen hatte, verbrannte er das Pulver in dem Topf und bedeckte die Wunde mit der Asche. Der Christ stöhnte laut auf. Auf die Asche kam das dünne Kupferblech, danach legte er einen Verband an.
Und zu welchem Gott sollte er nun beten?
Ibrahim war völlig vernarrt in Fatima. Sie durfte den Holzverschlag nicht verlassen, den er nur für sie im Feldlager hatte errichten lassen, und er vernachlässigte sogar seine Pflichten gegenüber dem König, um mit ihr zusammen zu sein. Aischa, seine Söhne und Humam hatten unter einigen Ästen und Zweigen neben ihrer Hütte Unterschlupf gefunden. Fatima ignorierte Ibrahim, wenn er zu ihr kam. Der Maultiertreiber schlug dann wütend auf sie ein, bis sie nachgab. Er zwang sie, ihn zu befriedigen, und sie tat ihre Pflicht, bis Ibrahim den Höhepunkt erreicht hatte, aber aus ihren großen schwarzen Mandelaugen sprach Verachtung. Sie gehorchte. Sie ließ ihn gewähren, und jedes Mal, wenn der Maultiertreiber sich nur mit ihrem apathischen Körper zufriedengeben musste, verspürte die junge Frau zumindest eine gewisse Genugtuung, die aber allmählich abnahm.
Eines Nachts tauchte Ibrahim mit dem kreischenden Humam bei ihr auf.
»Wenn du dich nicht besserst, bringe ich ihn um«, drohte er.
Seit dieser Nacht schlief Ibrahim nur noch im Beisein von Humam mit Fatima – damit sie niemals vergaß, was passieren würde, wenn sie ihren Ehemann nicht lustvoll befriedigte. Von nun an gab sich Fatima Mühe und versuchte sich an die Berührungen zu erinnern, die ihrem Ehemann am besten gefallen hatten, und an die Bemerkungen der anderen Moriskinnen darüber, wie sie ihre Männer befriedigten. Sie täuschte Ibrahim jene Begierde vor, die sie ihm bislang verwehrt hatte. Danach ließ er sie in Ruhe und brachte Humam zu Aischa. Die meiste Zeit verbrachte Fatima allein, im Gebet, oder sie beobachtete Aischa und ihren Sohn durch die Ritzen des Verschlages. Sie weinte viel und strich über die Fatimahand an ihrer Halskette. Sie sehnte die Momente herbei, in denen sie den Kleinen stillen durfte, die einzigen, die sie mit ihrem Sohn verbringen konnte. Der eifersüchtige Ibrahim hielt sie von allem fern, sogar von ihrem eigenen Kind.
Unterdessen kämpfte Hernando am anderen Ende des Lagers um das Leben des Christen – und um sein eigenes. Seit einigen Tagen schwebte der Adlige nun schon in Lebensgefahr. In den wenigen wachen Momenten – die Hernando nutzte, um ihm Brühe einzuflößen – betete er und empfahl sich Christus und der Heiligen Jungfrau. Einmal jedoch fixierte er Hernandos blaue Augen.
»Du hast die Augen eines Christen«, stellte er fest. »Lass mich frei. Du wirst es nicht bereuen.«
Doch selbst wenn er es täte, wohin wollte der Christ denn gehen?
»Ich … Wie heißt du eigentlich?«
Der Adlige blickte wieder tief in Hernandos blaue Augen.
»Ich werde weder die Ehre meiner Familie damit beflecken, im Zelt eines Piraten zu sterben, noch werde ich meinen Befehlshaber mit der Sorge um meine Gefangenschaft behelligen.«
»Wenn du nicht sagst, wer du bist, können sie dich nicht auslösen.«
»Wenn ich am Leben bleibe, bleibt dafür Zeit genug. Ich weiß, dass ich viel Gold wert bin. Aber wenn ich hier sterbe, möchte ich, dass meine Leute nichts davon erfahren.«
Hernando studierte die Inschrift auf dem Langschwert des Gefangenen. Die schwere Waffe hing neben Hamids Krummsäbel am Zelteingang, wo immer ein Soldat Wache hielt. Seit Barrax den verwundeten Christen gefangen genommen hatte, musste auch Hernando im Zelt des Korsarenanführers schlafen. In der ersten Nacht betrachtete der Korsar Hamids Waffe argwöhnisch. Er ging zum Krummsäbel, hob ihn auf und
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